Romana Gold Band 11
Kleinigkeiten. Könnte ich mir einige Bücher bei Ihnen ausleihen? Ich habe nichts zum Lesen mitgebracht und zum ersten Mal in meinem Leben genug Zeit. Und noch eine zweite Frage. Könnten Sie mir sagen, wo ich hier etwas zu essen bekomme? Gibt es in der Nähe vielleicht ein Restaurant?“
„Nicht direkt in der Nähe“, antwortete Jane für Lorna. „‚Bothy‘, so heißt das nächstgelegene Restaurant, ist über sechs Meilen entfernt.“
„Ein beachtlicher Fußweg“, stellte Martin grimmig fest. „Kann man vielleicht ein Taxi rufen? Zu ärgerlich, dass mir mein Auto nicht zur Verfügung steht.“
„Sie könnten Duncan anrufen“, meinte Lorna nachdenklich, „aber er würde eine Weile brauchen. Und falls Sie dann im ‚Bothy‘ keinen Platz bekommen – es ist während der Saison nämlich immer sehr gut besucht …“ Sie machte eine Pause und sagte dann zu ihrer eigenen Überraschung: „Wenn Sie nicht zu anspruchsvoll sind und sich mit einer einfachen Mahlzeit begnügen, dürfen Sie uns gern Gesellschaft leisten.“
Jane sah sie mit offenem Mund an, denn sie wusste, dass Lorna ihren Gästen niemals und unter keinen Umständen ein Abendessen anbot. Die Abende waren ihr heilig. ‚Ich kann nicht auch noch anfangen zu kochen‘, hatte Lorna argumentiert, als sie mit Jane die Boutique für Kunsthandwerk eröffnete. ‚Der Laden, die Übernachtungen mit Frühstück und das Ponyreiten – irgendwann muss ich auch Zeit für mich selbst haben.‘
Lorna ahnte, was Jane in diesem Augenblick dachte. Erst hatte sie Martin Ritchie kein Zimmer geben wollen, und jetzt bot sie ihm sogar eine warme Mahlzeit an. Das war schon mehr als schottische Gastfreundschaft – das war Wahnsinn!
Martin schien das Angebot nicht so ungewöhnlich zu finden. Seine Gesichtszüge hellten sich merklich auf. „Das ist sehr freundlich von Ihnen, Miss Morrison“, meinte er, „zumal ich sehe, dass Sie bereits einen Gast haben. Ich könnte aber gern auch in einem anderen Zimmer essen, damit ich Sie nicht störe.“
Lorna schüttelte entschieden den Kopf, ihr langer Zopf schwang hin und her. „Das würden Jane und ich niemals dulden.“ Sie lächelte. „Während ich den Tisch decke, können Sie sich im Wohnzimmer etwas zum Lesen aussuchen. In unserer Bibliothek finden Sie die unterschiedlichsten Bücher. Einige stammen von meinem Vater, einige von mir und einige von den Gästen. Eigentlich müsste sich etwas Geeignetes für Sie finden lassen.“
Kaum war der Gast ins Wohnzimmer entschwunden, wurde Lorna von Jane attackiert. „Was ist bloß in dich gefahren?“, ereiferte sie sich. „Du bereitest nie ein Essen für deine Gäste – das ist eine deiner goldenen Regeln. Warum denn diese Ausnahme? Aber nein, sag mir nichts!“ Jane betrachtete ihre Freundin genauer und begann zu lachen. „Du hast dich verliebt. Die blauen Augen und das hinreißende Lächeln haben es dir angetan.“
„Ich hoffe, das war scherzhaft gemeint“, antwortete Lorna kalt. „Ich tue nur, was jeder andere tun würde. Außerdem wiege ich ihn in Sicherheit, damit ich später umso vernichtender zum Kampf übergehen kann.“
„Warum aber so viel Aufwand?“ Jane sah zu, wie Lorna farbige Kerzen und passende Servietten aus einer Schublade zutage förderte. „Benutzen wir auch das gute Besteck?“
„Vorsicht, Jane Baxter“, warnte Lorna. „Geh nicht zu weit. Warum sollen wir es uns nicht gemütlich machen, auch wenn es nur kaltes Hühnchen und gebackene Kartoffeln gibt? Und grüne Bohnen natürlich.“
Jane war klug genug, zu schweigen. Wenn sich Lorna für einen Mann, den sie weder kannte noch mochte, so viel Mühe gab … bitte, das war ihre Sache, die niemanden etwas anging. Obwohl … interessant war es schon.
„So“, meinte Lorna wenig später. „Sieht das nicht hübsch aus? Mr Ritchie wird jetzt nicht mehr denken, dass er bei uns unter Barbaren geraten ist.“
Jane musterte das gestärkte weiße Tischtuch, die gelben Kerzen und gelben Servietten und – gewissermaßen als Krönung – die Flasche mit altem Rotwein, der im Licht der Kerzen dunkel aufglühte.
„Du hast dich selbst übertroffen“, erklärte sie rundheraus. „Mr Ritchie wird beeindruckt sein.“
„Dann sage ich ihm jetzt Bescheid.“
Martin saß in dem großen Lehnsessel, den Lornas Vater früher benutzt hatte. Martin war ganz in ein Buch vertieft und wirkte so ungezwungen und mit der Umgebung vertraut, dass Lorna für einen Moment ganz seltsam zumute wurde.
Sie
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