Romana Gold Band 11
Isabel wollte, dass Clare einfach ging. Vielleicht würde sie am nächsten Morgen objektiver sehen können, was vorhin geschehen war, doch im Augenblick kamen ihr all ihre früheren Zweifel wieder. „Ich hoffe, dass du uns nicht für aufdringlich hältst. Das war wirklich keine Absicht. Aber, wenn du nicht böse bist, wir sind ziemlich müde …“
„Natürlich.“ In einem plötzlichen Stimmungswechsel lächelte Clare plötzlich dünn. „Du musst natürlich müde sein. Und ich muss los. Colin wird sich schon wundern, wo ich bleibe. Ich hatte versprochen, nur eine Minute zu bleiben.“
Isabel zwang sich, höflich zu sein. „Schön, dass du vorbeigeschaut hast.“ Sie schaute zur Küche. „Und danke für die Lebensmittel. Du musst mir sagen, was ich dir schulde.“
„Aber nicht doch.“ Clare hatte sich wieder unter Kontrolle. „Das bisschen Gemüse ist doch nicht der Rede wert.“ Sie warf einen kurzen Blick auf Cory, bevor sie Isabel wieder anschaute. „Aber ich muss sagen, du weißt, wie man mit Stil ankommt, meine Liebe. Nicht jeder Angestellte kann sich damit rühmen, dass der Earl of Invercaldy sein Chauffeur war!“
3. KAPITEL
Als Isabel am nächsten Morgen erwachte, lauschte sie in die Stille. Sie war den Lärm von Menschen und Verkehr gewöhnt, und selbst nachts war sie sich stets der lebenden, atmenden Stadt vor ihrer Tür bewusst gewesen.
Hier aber drangen die unvertrauten Geräusche der Natur an ihr Ohr. Eine Krähe lärmte in einem der Bäume, die den Garten säumten. Eine Kuh muhte verärgert, und auf dem Dach gurrte ein Taubenpaar, dessen Chor sie wahrscheinlich geweckt hatte.
Doch mehr hörte sie nicht. Es gab weder heulende Motoren noch Autohupen, nicht einmal das Pfeifen des Briefträgers. Nur der Wind war da, und ein gelegentliches Knacken im Haus.
Von unten war auch nichts zu hören, was bedeutete, dass Cory noch schlief. Es war erst kurz nach sieben, wie sie bei einem Blick auf die Uhr bemerkte. Sie hatte sonst Schwierigkeiten, ihre Tochter daheim um acht aus dem Bett zu bekommen. Daheim …
Isabel schlug die Decke zurück, stand auf und trat ans Fenster. Sie sollte nicht vergessen, dass dies jetzt ihr Heim war.
Es war kalt, und sie erschauerte in ihrem kurzen Nachthemd, aber sie zog den Vorhang beiseite und schaute auf das Panorama, das sich ihr bot. Am Horizont war ein zitronengelber Streifen zu sehen, der den Sonnenaufgang ankündigte. Die Berge in der Ferne waren noch in Dunkelheit getaucht, und der See ein geheimnisvoller Spiegel. Selbst die Rinder am Ufer wirkten nebelhaft und unwirklich, und ihr Fell dampfte, wenn sie sich bewegten.
Isabel atmete aus, und das Fenster beschlug sich. Ihr fiel ein, dass sie sich erkälten könnte, wenn sie so dünn bekleidet hier stand. Sie musste sich wärmer anziehen, bis sie die Heizung in Betrieb genommen hatte.
Sie griff nach ihrem dicken Morgenmantel, legte ihn über die Schultern und ging nach unten in die Küche. Als sie die Küchenvorhänge aufzog, erlebte sie eine weitere Überraschung. Eine riesige schwarze Katze saß draußen auf dem Fenstersims und wartete darauf, dass sie jemand hereinließ. Nachdem Isabel den Wasserkessel aufgesetzt hatte, entriegelte sie die Hintertür und öffnete sie. Sofort stolzierte die Katze in den Raum.
„Und wem gehörst du?“, murmelte sie. „Du wirst sicher etwas Milch wollen“, fügte sie hinzu.
Die Katze stürzte sich gierig auf die Milch, die sie vor sie stellte, und rieb sich dann an Isabels nackten Beinen.
Das Wasser kochte, und sie brühte Tee auf. Dann setzte sie sich an den Tisch. Dies war immer eine der Tageszeiten gewesen, die sie am liebsten mochte.
Sicher hatte sie Clares Verhalten gestern übertrieben gewertet, dachte sie. Das Mädchen, das sie gekannt hatte, konnte sich nicht so nachteilig verändert haben.
Aber ein Schock war es doch gewesen, als sie erfahren hatte, dass Brian Lindsay der Earl of Invercaldy war. Natürlich hatte sie keine Erfahrung, aber ihrem Wissen nach war es ungewöhnlich für einen Mann seiner Herkunft, jemanden abzuholen, den er nicht einmal kannte. Und das ohne Clares Wissen. Kein Wunder, dass sie verärgert war.
Andererseits konnte Isabel nicht recht verstehen, warum Clare das ärgerte. Sie hatte doch nichts Falsches getan. Sie hatte sein Angebot sogar zuerst abgelehnt, und erst seine Erklärung hatte sie davon überzeugt, dass Clare ihn geschickt hatte.
Sie verzog das Gesicht. Gott, was musste er gedacht haben, als sie ihm gesagt hatte, dass sie
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