Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
so klein gehalten. Zur Strafe, gewissermaßen. Die Frage, ob viele Besucher ans Grab kommen, erübrigt sich wohl.
Weder im Leben, mit den Menschen vom ZDF, noch im Tode, mit seinem Nachbarn in Engenhahn, hat Wim Thoelke den großen Preis gezogen.
Eine Zugfahrt durchs Rheintal. Nebel. Köln. Hier also haben wir den berühmtesten deutschen Fernsehjournalisten. Moderator der ersten politischen Talkshow, sozusagen Vorgänger von Sabine Christiansen, Anne Will und Frank Plasberg. Ein Gigant. Der Mann, der bescheiden von sich sagte: »Mehr als ich kann man nicht erreichen«, und zu dessen Geburtstag der Bundespräsident einen Empfang gab. Kein Wunder,dass hier alles bürgerliche Großzügigkeit atmet. Auffällig großer Stein, viel Platz, auffällig große Birke.
Eine goldene Kamera. Deutscher Weinkulturpreis. Gestorben 1997.
Sogar aus manchen Nachrufen geht in vorsichtig gesetzten Worten hervor, dass Werner Höfers herausragendste Eigenschaft nicht die Liebenswürdigkeit war. Brillant war er, das schon, kreativ, ein Förderer von Talenten, das auch, aber dabei autoritär und aufbrausend. Höfer war Jahrgang 1913, genau wie Lembke. Als der Jungjournalist Lembke wegen seines Vaters Blut den Job verlor, war Jungjournalist Höfer schon längst in der NSDAP. Nach 1945 machten beide ziemlich parallel Karriere, nicht nur als Moderatoren, sondern auch in ihren Sendern. Beide wurden Direktoren. Als Fernsehdirektor des WDR war Höfer zeitweise für 25 Prozent des ARD-Programms zuständig. Nur Intendant wurde er nie. Darunter soll er sehr gelitten haben.
Der Spiegel stürzte Höfer durch eine scheinbare Enthüllung. Das NSDAP-Mitglied Höfer sei tatsächlich Nazi gewesen. Dass er im Krieg ein paar blutrünstige Hetzartikel geschrieben hatte, war aber längst bekannt und hatte bis dahin nie jemanden gestört. Deswegen wird bis heute vermutet, dass Höfers Sturz eine Intrige aus dem WDR zugrunde lag. Vielleicht wollten sie den Alten einfach loswerden.
Höfer erklärte, dass man ihm die schlimmsten Passagen in seinem damaligen Text hineinredigiert habe, und beschritt hocherhobenen Hauptes den Rechtsweg. Die alte Geschichte: Wahrscheinlich hätte man ihm verziehen, wenn er Reue gezeigt hätte oder Einsicht oder wenigstens Nachdenklichkeit. Aber das hat, außer Albert Speer, kaum ein Nazi gekonnt. Ein Gericht musste Werner Höfer, dem berühmtesten deutschenJournalisten, erklären, dass die Bezeichnung »Schreibtischtäter«, gemünzt auf ihn, vom Recht auf freie Meinung abgedeckt sei. Der berühmteste deutsche Journalist, dieser Chefdebattierer und Meinungsfabrikant, wusste also nach mehr als 30 Jahren Demokratie immer noch nicht, was Meinungsfreiheit ist. Das war, beruflich und politisch, sein Ende. Als er seinen Schreibtisch ausräumte, soll er gesagt haben: »Ich hätte gern, wenn niemand weiß, wo mein Grab ist.«
Es war folglich eine eher kleine Beerdigung. Der Friedhofswärter, der zum Grab führt, trägt Pferdeschwanz und lacht viel. Klar, den »Frühschoppen« hat er immer gerne gesehen. Es ist ein Stadtrandfriedhof mit vielen herumhoppelnden Kaninchen und genau drei Prominenten, Werner Höfer, Ralph Siegel senior und der Familie des Fußballtrainers Erich Ribbeck. Das Hauptproblem der heutigen Zeit, sagt der Friedhofswärter, sei eindeutig die Kaninchenplage. Sie schließen jetzt gelegentlich tagsüber den Friedhof und machen Jagd, mit Schlingen und mit Gift.
Gräber sehen sich ähnlich. Das ist nun mal so. Aber warum sehen sich die Geschichten so ähnlich? Kein Happy End, bei keinem. Sie kommen alle aus dem Krieg, sie kommen groß heraus und dann stürzen sie ab, in den Skandal, ins Quotenloch, in die Verbitterung, was auch immer. Keiner, der in Glanz und Gloria abgetreten wäre und seinen Nachruhm genossen hätte. Kein Abschiedsspiel wie bei alt gewordenen Fußballern. Kein Revival, wie bei den Bee Gees oder Abba. Das beste mögliche Ende war noch ein plötzlicher Tod, wie bei Robert Lembke.
Kuli hat immer noch die meisten Fans. Peter Frankenfeld, die ewige Nummer zwei, ruht in Wedel, Schleswig-Holstein, so weit weg von seinem Rivalen wie nur möglich. Sie warenkeine Feinde, die beiden, sie hatten sogar mal eine gemeinsame Radiosendung. Sie konnten nur wenig miteinander anfangen. Im Krieg war Frankenfeld zeitweise im Strafbataillon, wegen der frechen Schnauze. Frankenfeld kam vom Zirkus, tatsächlich, das war sein erster Job. Kulenkampff kam von der Bühne. Theater und Zirkus sind die beiden Vorfahren des
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