Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
Nachmittag. Jetzt kommt der Dschang. Er ist als Einziger über 30. Jeans, schwarzes T-Shirt. Er fragt: »Was soll denn gemacht werden?«
Dschang ist keine Quasselstrippe, man muss ihm jeden Satz aus der Nase ziehen. Frage: Was ist denn zurzeit der Trend bei den Herren, haarmäßig? Antwort: »Das, was die Fußballer machen. Die Fußballer setzen den Trend.« Neulich sei eine ganze Mannschaft bei Udo Walz gewesen, hier im Salon. Aber er weiß nicht, welche.
Nun betritt ein weiterer Herr den Salon, ein älteres Semester, um die 70, lange Mähne. Aus den hinteren Salonbereichen schwebt zum ersten Mal eine Friseurin herbei, ein gazellenartiges Geschöpf mit riesigen Augen und einem Dekolleté, das in der Nähe des Erdmittelpunkts endet. Sie ist für den alten Knaben zuständig, man kann ihn fast im ganzen Raum schnurren hören, so gut gefällt ihm das.
Das Prinzip des Salons scheint darin zu bestehen, Gazellen und Senioren zusammenzubringen sowie Seniorinnen und junge Hirsche.
Es kostet 35 Euro. Das geht, oder? Jean hat es auf seine wortkarge Art aber tatsächlich geschafft, seinem Kunden eine Flasche Udo-Walz-Shampoo zu verkaufen. 20 Euro. Für Shampoo! Wahnsinn. Jeder Kunde kriegt aber an der Kasse gratis den Sonderdruck der Bunten zum Udo-Walz-Geburtstag. 16 Seiten mit genau 50 Fotos von Udo Walz. Auf manchen Fotos sieht er aus wie der Alterspräsident des Reinickendorfer Harley-Davidson-Klubs. Aber der Schnitt von Dschang ist gut. Das sagen alle. Danke! Und Entschuldigung, weil ich keinTrinkgeld gegeben habe, das war der Schock, wegen des Shampoos.
Bei Gerhard. Gibt es etwas Dekadenteres, als zum Friseur nach München zu fliegen? Und das genau eine Woche nach dem letzten Friseurbesuch?
Gerhard Meir hat zu diesem Zeitpunkt vier Salons, er ist elf Jahre jünger als Walz. Außerdem ist er mehr der intellektuelle Typ, er trägt eine Florian-Illies-Brille, hat Romane geschrieben, und das »SZ-Magazin« veröffentlicht unter seinem Namen eine Kolumne. So was besorgen Ghostwriter, aber trotzdem. Der Wille zählt.
Meir wurde durch das Relaunch von Fürstin Gloria berühmt, er hat ihr damals den Irokesenschnitt verpasst. Er gibt sich in Interviews gerne frech, über die Fernsehgeilheit von Udo Walz finden sich in den Romanen spöttische Passagen. Walz heißt dort »Bruno Lansky«.
Promifriseure sind kein speziell deutsches Phänomen. Der Brite hat Aidan Phelan (David Beckham!) und Nicky Clarke (Nicole Kidman! Gwyneth Paltrow!), der Franzose hat Franck Provost (Lady Di, ihr letzter Schnitt vor dem tödlichen Unfall), bei den Amis sind es Nick Chavez (ganz Beverly Hills) und John Frieda (Meg Ryan! Tom Cruise!). Mit 460 Dollar für einen Nassschnitt gilt Frieda als teuerster Friseur der Welt.
Warum gerade die Friseure in letzter Zeit so wichtig geworden sind? Unter Köchen gibt es neuerdings auch viele Stars. Vielleicht sind die Friseure im Zuge der allgemeinen Promikultur einfach automatisch mit nach oben gespült worden. Sie sind eine Art Prominentenproletariat. Höflinge. Satelliten der echten Prominenz. Sie gehören dazu, aber werden nicht wirklich ernst genommen.
Eines aber muss man ihnen zugutehalten – sie können etwas. Sie sind nicht reine Selbstdarsteller.
Am Telefon war es bei Meir völlig anders als bei Walz. Die Frau erkundigte sich genau danach, was gemacht werden soll, und sie fragte: »Möchten Sie lieber von einer Dame oder von einem Herrn bedient werden? Ist der Günther recht? Jaaaa?« So sind sie, die Münchner. Überhaupt muss es jetzt leider eine etwas klischeehafte Geschichte werden, ich kann nichts dafür, die Wirklichkeit ist eben so. Hier Berlin, dort München.
Der Meir-Salon heißt »LE COVP« und liegt am Promenadeplatz, ganz in der Nähe von »Schumann’s Tagesbar«. Davor parken, und das ist wirklich nicht erfunden, zwei Porsches und ein Mercedes Cabrio. Im Eingangsbereich stehen Säulen, es wirkt sehr pompös, fast ein bisschen Mussolini-faschistisch, das ist nicht politisch gemeint, nur vom Stil her. Vor dem Salon: eine Bar. Dort kann man sich hinsetzen, auch wenn man keinen Termin hat. Der Herr, der einen bedient, trägt Nadelstreifenanzug und Brille, er könnte bei jeder Party ohne weiteres als neuer Feuilletonchef der FAZ auftreten. Die Bar wird von der lebensgroßen Statue eines sich dahinfläzenden Jünglings beherrscht, im griechisch-römischen Stil, welcher dem Betrachter sein Geschlecht entgegenreckt, oder auch der Betrachterin.
Durch einen Gang mit Wandleuchtern
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