Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
Eucheria.
Lembke hat die erfolgreichste Quizshow der frühen Jahre gemacht, das »Heitere Beruferaten«. Am frühen Abend empfing Robert Lembke immer sein berühmtes Rateteam zum Essen, danach machten sie um 20 Uhr 15 eine Lifesendung und zeichneten ab 21 Uhr 30 eine zweite Sendung auf, jedes Mal, jahrzehntelang. Die Quote lag bei 75 Prozent. Nebenbei schrieb er heitere Aphorismen. »Liebe ist eine Krankheit, bei der auf einen Schlag zwei Patienten bettlägerig werden.« Oder: »Anerkennung ist eine Pflanze, die vorwiegend auf Gräbern wächst.«
Der Stein ist klein und schlicht. Lembke liegt neben seinen Eltern und seiner Ehefrau, obwohl er getrennt von ihr lebte. In einem alten Standardwerk über die Fernsehstars stehen sie, diese alten Geschichten: Dass Lembke die Nazis nicht mochte und deshalb 1933 den Journalistenberuf an den Nagel gehängt habe. Dass er aus innerer Opposition Chemiearbeiter bei der IG Farben geworden ist. Sein Vater sei sogar ins Exil gegangen.
Die Wirklichkeit sah ein bisschen anders aus. Robert Lembkes Vater ging nicht ins Exil. Er floh. Er war Jude. Besser gesagt: Er war Christ mit jüdischen Vorfahren. Robert Lembke hatte also gar keine andere Wahl, als 1933 seine journalistische Karriere zu beenden.
Solche Geschichten hängte man in den frühen Fernsehjahren nicht gerne an die große Glocke. Es herrschte eine heute schwer zu begreifende Scham – bei den Opfern, bei Leuten wie Robert Lembke oder Hans Rosenthal. Das Publikum bestand schließlich mehrheitlich aus Leuten, die damals, im weitesten Sinn, auf der anderen Seite gestanden hatten. Das Publikum hat immer recht, oder?
Eine goldene Kamera. Ein Bambi. Gestorben 1995.
Dieser Mann hier hätte in seinem Sender alles werden können. Jahrelang haben sie ihm die wichtigen Posten auf silbernen Tabletts hinterhergetragen. Er aber wollte immer nur moderieren. Kameras! Publikum! Sein Erfolg beruhte zu einem nicht geringen Teil darauf, dass er ein ganz normaler Typ war, sagen wir ruhig: Durchschnitt. Nur ein bisschen größer und dicker als die anderen. Kein Pfau, kein Rennpferd, eher ein treuer Bernhardinerhund. Jetzt liegt Big Wim also an einem grünen Maschendrahtzaun in Engenhahn.
Mit 17 wurde Wim Thoelke als Soldat verwundet. Mit 50 hatte er eine Quote von 68 Prozent. Für das ZDF hat Wim Thoelke in idealer Weise die beiden edelsten Sendeaufträge verkörpert. »Der große Preis«, das Quiz zugunsten der Aktion Sorgenkind, bedeutete »Unterhaltung« plus »Bildung« und verband beides – Bingo! – auch noch mit Wohltätigkeit.
Thoelke, der Superstar, wechselte nie den Sender. Sein Leben hat er dem ZDF geweiht wie ein Samurai seinem Kaiser. Er war dann der Erste, dem man im Fernsehen beim Sterben beinahe zuschauen konnte. 1991, nach einer dreifachen By-pass-Operation, moderierte er abgemagert und im Sitzen seine 200. Sendung. Das aber wollten die Leute nicht sehen. Auf diesem Weg wollten sie ihren Wim dann doch nicht begleiten. Und so trennte sich das ZDF von seinem kranken Bernhardiner, ersetzte Big Wim durch den deutlich älteren Kuli, der ebenfalls längst auf dem absteigenden Ast war und die Show dann auch prompt gegen den Baum fuhr. Der rachedurstige Wim schrieb mit letzter Kraft ein Enthüllungsbuch über das ZDF. Das ZDF, ein Abgrund an Korruption. Als der Sender sich erwartungsgemäß wehrte, konnte oder wollte er seine Vorwürfe nicht belegen. Er gab klein bei und starb an gebrochenem Herzen.
Engenhahn im Taunus ist ziemlich öde. Man denkt unwillkürlich: »Hier sind die Grundstücke bestimmt nicht so teuer wie in Kronberg.« Rund um den Friedhof werden folglich mittelgroße Eigenheime hochgezogen, es ist ziemlich laut, an den frisch gepflanzten mittelgroßen Bäumen klebt noch Plastikfolie, und auf den Grabsteinen steht meistens der gesellschaftliche Rang des Verblichenen. »Bürgermeister« oder »Zimmermeister« oder auch »Dr.-Ing.«.
Bei Thoelke steht nur »W. T.«. Sein Grab liegt versteckt und ist so ziemlich das kleinste in Engenhahn. Ein Einpersonengrab.
Ein junger Mensch kommt aus einem Eigenheim, Ende zwanzig, Kunstlederjacke. »Guten Tag. Meine Name ist Dr. von Quitzow. Sie interessieren sich auffällig für unseren Friedhof. Darf ich fragen, wer Sie sind und was Sie hier tun?«
Sie passen gut auf in Engenhahn. Dr. von Quitzow berichtet ungefragt, dass Big Wim bis zuletzt auffällig viele Frauengeschichten gehabt habe, trotz seiner schwachen Gesundheit, jawohl. Deswegen habe die Familie das Grab
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