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Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Titel: Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Martenstein
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anzünden, dann ist womöglich Nachsicht weniger angebracht. Dann darf es auch mal ein zorniges Wort sein, wobei ich nicht glaube, dass die zarten Kinderseelen dauerhaft davon Schaden leiden.
    Ein Land, das von Kindern regiert wird, stelle ich mir so ähnlich vor wie Uganda unter der Herrschaft von Idi Amin. Bestenfalls käme Italien unter Silvio Berlusconi dabei heraus.
    Die Liebe zu den Kindern ist uns zum Glück genetisch einprogrammiert, deshalb greifen Zeichner und Filmemacher, wenn sie eine süße, niedliche Figur entwerfen möchten, meistens auf das Kindchenschema zurück, großer Kopf, kleines Näschen, große Augen. Und, wie man sieht, bei süßer Literatur klappt es ebenfalls.
    Wissen die Kinder, wohin sie wollen, wie Saint-Exupéry auf Seite 97 behauptet? Nur die Kinder? Fragen Sie doch einfach mal nach. Fragen Sie auf dem Spielplatz ein Kind Ihrer Wahl: »Wohin willst du?«
    In neunzig Prozent aller Fälle wird die Antwort lauten: »Ich will hier bleiben, auf dem Spielplatz.«
    Kinder wollen immer bleiben, auf dem Kindergeburtstagder Freundin, obwohl sie längst todmüde sind, vorm Fernseher, im Spielzeugladen. Kinder wissen vor allem, was sie nicht wollen, nämlich aufhören mit etwas, was ihnen gerade Spaß macht.
    So sind Kinder. Und der Satz »Nur die Kinder wissen, wohin sie wollen« ist romantisches Gedöns.
    Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse. (Der kleine Prinz, Seite 90)
    In meinem Adventskalender ist dies Sprüchlein die Nummer 13. Und es stimmt ja auch, irgendwie. Gewiss, beim Reden versteht man einander manchmal miss, vor allem, wenn sich einer der Gesprächspartner nicht klar ausdrückt. Andererseits, nicht wahr, ist die Sprache ein wunderbares Werkzeug, mit dessen Hilfe man einander allerlei Interessantes mitteilen kann. Das stimmt ebenfalls. Auch wenn es nicht so poetisch klingt wie der Satz aus dem »Kleinen Prinzen«.
    Der Satz »Bohnensuppe finde ich eklig, vor allem kalte Bohnensuppe« ist meiner Ansicht nach nur schwer misszuverstehen. Ich wette, sogar Saint-Exupéry hätte mir, nach dem Aussprechen dieses Satzes, keine kalte Bohnensuppe mehr angeboten.
    Ich könnte auch sagen: Das Auto ist die Quelle der Verkehrsunfälle. Oder: Der Hund ist die Quelle des Hundekots. Das stimmt alles in gewisser Weise, aber es tut den Hunden bitter Unrecht, denn sie sind differenzierter und können so viel mehr als nur koten. Und so, wie es auch ohne das Auto zu Verkehrsunfällen kommen kann (ich sage nur: Fahrräder, Motorräder, Pferdefuhrwerke), genauso ist auch das Missverständnis in der Welt der nonverbalen Kommunikation ebenso heimisch wie in der Sprache.
    Ein Bulgare, von einem Finnen gefragt, ob er den Euro gut findet, schüttelt den Kopf – in Bulgarien bedeutet Kopfschütteln nämlich Zustimmung.
    Eine Frau blickt einen Mann lange und großäugig an, was dieser als Aufforderung zu einem Flirt versteht, in Wirklichkeit ist sie kurzsichtig und sucht ihre Brille. Hätte sie doch bloß etwas gesagt, dann wäre ihr dieser Typ nicht lästig geworden.
    Sprache kann wahnsinnig nützlich sein, wenn man sie geschickt einsetzt.
    Beim schweigsamen Piloten Saint-Exupéry zählt eben nur das Gefühl. Dies ist der Subtext, das möchte er ausdrücken. Ich habe nichts gegen Gefühle. Eine Welt aber, in der die Gefühle grundsätzlich über den Verstand regieren, stelle ich mir extrem unangenehm vor. Es gibt ja auch negative Gefühlswallungen, Hass, Wut, Ärger. Der Verstand wirkt da manchmal als Bremse. Das Kind, welches ein anderes Kind auf dem Schulhof verprügelt, hört einfach nur auf die Stimme seines Gefühls.
    Es ändert nichts, wenn Sie das Wort »Gefühl« vermeiden und stattdessen »Affekt« oder »Emotion« sagen. Sprache ist zwar auch oft ein Mittel, Dinge zu verbergen. Gefühle aber sind ebenfalls zur Vortäuschung falscher Tatsachen gut geeignet. Falsche Tränen, so was gibt es auch.
    Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. (Der kleine Prinz, Seite 93)
    Der bekannteste Spruch aus dem »Kleinen Prinzen« ist selbstverständlich auch im Adventskalender enthalten. Wie die meisten anderen Weisheiten wird auch diese mehrfach in paraphrasierter Form wiederholt, etwa auf Seite 105: »Aberdie Augen sind blind. Man muss mit dem Herzen suchen.« Oder auf Seite 112: »Was wichtig ist, sieht man nicht.«
    Der Satz würde einleuchten, wenn er doch nur nicht das »nur« enthielte – nur, ohne das »nur« stimmt der Rhythmus des Satzes nicht

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