Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
kein einfacher Partner gewesen. Dies geht aus folgendem Satz über die Rose hervor: »Man darf den Blumen nicht zuhören, man muss sie anschauen und einatmen.«
Den Frauen nicht zuhören, sondern sie nur anschauen und mit ihnen das tun, wofür die Metapher »einatmen« steht, dies entspricht wohl am ehesten der Lebensphilosophie des PlayboysRolf Eden, der, vermute ich, immer nur so tut, als höre er seinen Rosen zu.
Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. (Der kleine Prinz, Seite 95)
Der Fuchs äußert sich so, nachdem er den kleinen Prinzen darum gebeten hat, ihn zu »zähmen«, was sich, neben anderen möglichen Deutungen, als eine Metapher für den Beginn einer Beziehung verstehen lässt. Von allen Sätzen im kleinen Prinzen mag ich diesen am meisten und verteidige ihn am ehesten. Ich finde, es ist ein Satz gegen moderne Wegwerfbeziehungen, die per SMS beendet werden, und, nun ja, eben für Verantwortung.
Dass man zum Beispiel für ein Kind zeitlebens Verantwortung trägt, wird den meisten einleuchten, auch, dass diese Verantwortung weitgehend unabhängig ist vom Verhalten des Kindes. Der christliche Gedanke der Nächsten- und sogar der Feindesliebe enthält allerdings eine deutlich größere Zumutung als dieser kleine Satz, der verlangt, Verbindlichkeiten einzuhalten. Klare Trennungen können manchmal eine echte Erleichterung sein. Der modische, von fern an den Prinzen erinnernde Satz »Lass uns Freunde bleiben« am Ende einer Beziehung stellt meistens doch bloß eine Mischung aus Feigheit und Höflichkeit dar.
Trotzdem ist das mit der lebenslangen Verantwortung ein schöner Satz. Ein schönes Ziel, das, wie üblich, selten erreicht wird. Theoretisch müsste die Bindung zu den eigenen Eltern ebenso bedingungslos sein wie die zu den eigenen Kindern. Da fallen einem aber rasch massenweise Gegenbeispiele ein. Und: Muss ein Kind etwa auch dann zu den Eltern stehen, wenn es von ihnen missbraucht oder misshandelt worden ist?
Was mich an diesem Satz stört, ist nicht das Utopische, sondern das Unbedingte. Er geht von einer heilen Welt aus, in der nichts geschehen kann, was jede Verpflichtung – und zwar jede – zunichtemacht.
Gegen Ende des »Kleinen Prinzen« mehren sich die biblisch inspirierten Passagen, der kleine Prinz fährt sogar zuletzt, wie Jesus, zum Himmel auf.
Es wird aussehen, als wäre ich tot, und das wird nicht wahr sein ... (Der kleine Prinz, Seite 116) Oder auch: Ich kann diesen Leib nicht mitnehmen. Er ist zu schwer. (Der kleine Prinz, Seite 116)
In der Bibel heißt es: Jesus legt »seinen fleischlichen Leib ab« (Brief des Paulus an die Kolosser, Kapitel 2, Vers 11). Und: »Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig« (Offenbarung, Kapitel 18, Vers 2).
In gewisser Weise hat Antoine de Saint-Exupéry tatsächlich die Bibel neu geschrieben, eine Bibel ohne Gott, für die postchristliche Gesellschaft. Ein Wunder, dass sich nie eine »Kleine Prinzen«-Kirche gegründet hat, die Prinzianiter oder die Heiligen des kleinen Schafs.
Das neue Jesuskind steigt hinab auf die Erde, es ist, wie sein Vorbild, frei von Sünde: »Du bist rein, du kommst von einem Stern«, sagt die Schlange auf Seite 79. Es verkündet seine Botschaft, darunter mehrere Gebote. Es offenbart sich einem Jünger, verkörpert durch den Erzähler. Es wirkt Wunder, spricht mit Schlangen, findet Brunnen in der Wüste, wobei das Wasser durchgängig als Metapher für Erkenntnis Verwendung findet.
Den Prinzen dürstet, wie Jesus am Kreuz. »Danach, als Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war, sagte er: Mich dürstet«, heißt es im Johannesevangelium.
»›Ich habe Durst nach diesem Wasser‹, sagte der kleine Prinz, ›gib mir zu trinken ...‹ Und ich verstand, was er gesucht hatte. Ich hob den Kübel an seine Lippen. Er trank mit geschlossenen Augen.« Das steht auf Seite 105 im »Kleinen Prinzen«.
Dieser Jesus aber hat keinen Vater, er wird niemals erwachsen und wird auch nicht von den Menschen hingerichtet. Er bleibt ein ewiges Kind.
Aber Kinder sind nun mal keine Heiligen. Der kleine Prinz opfert sich deshalb auch nicht, wie sich Jesus, aus christlicher Sicht, für die Sünden der Menschen geopfert hat. Außer seinen Weisheiten hat er nichts im Gepäck. Er bringt sich um. Er erlöst sich also höchstens selbst – von den großen Leuten und ihren Dummheiten. Er lässt sich von der Schlange beißen und kehrt auf seinen Planeten zurück, dorthin, wo die schöne Rose auf
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