Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
mehr. Auch die Aussage »Mit dem Herzen sieht man besser« birgt Sinn. Das ZDF, mit seinem Copyright auf »Mit dem Zweiten sieht man besser«, gab es damals ja noch nicht.
Mit dem Herzen sieht man gut: Das deckt sich mit der Lebenserfahrung aller Leute, die ich gefragt habe, sofern man für das verschwommene »Herz« das etwas präzisere Wort »Gefühl« einsetzt, was dem gefühlsverliebten Autor E. sicher nicht unrecht wäre, oder auch das Wort »Intuition«.
Nein, am besten ist wohl »Bauchgefühl«. Mir ging es so, dass ich bei fast allen wichtigen Lebensentscheidungen auf das Bauchgefühl gehört habe, es hat immer recht behalten.
Daran ist nichts Geheimnisvolles. Der Psychologe und Autor Bas Kast hat ein Standardwerk dazu geschrieben, es heißt »Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft«. Wenn wir etwas Schwieriges zu entscheiden haben, nimmt unser Unterbewusstsein eine Sortierung und Gewichtung der verschiedenen Argumente vor, fast wie ein Computerprogramm, und liefert uns in Form des »Bauchgefühls« ein Ergebnis, das wir sofort überzeugend finden, kein Wunder, wir haben es selbst hergestellt.
Ein neuer Job winkt: Für den Job sprechen das viel bessere Gehalt und die höhere Position, gegen den Job sprechen die nicht sehr attraktive Stadt und die Tatsache, dass ich zu meiner Familie pendeln muss. In solch einem Fall kommt es sehr darauf an, wie wichtig der jeweiligen Person ihr Wohnort ist, wie wichtig ihr ein hohes Gehalt ist und so weiter, die Pro- undContra-Argumente müssen individuell und auf ziemlich komplexe Weise abgewogen werden. Ihr Gewicht kennt unser Unterbewusstsein am besten. Es bekommt die Argumente vom Verstand geliefert und arbeitet dann an der Lösung, auch während wir schlafen.
Gefühl und Verstand sind also nicht sauber voneinander zu trennen, sie arbeiten als Team. Das Bauchgefühl ist allerdings nicht unfehlbar. Wie könnte es auch? Die neue Stadt kann viel grausliger sein, als wir es uns ausgemalt haben, neue, vorher unbekannte Faktoren können auftauchen, etwa ein unsympathischer Kollege, der uns täglich gegenübersitzt und den wir nun anschauen müssen. Interessanterweise pflegen wir aber Fehlentscheidungen fast nie unserem Bauch anzukreiden. Wir sagen dann: »Ich habe einen Fehler gemacht.« Unter »ich« verstehen wir den bewussten Teil unserer Persönlichkeit.
Mit anderen Worten, der Bauch ist fein raus. Für Fehler ist immer der Kopf zuständig, nie der Bauch.
Wenn das Herz immer richtig sehen würde, dann würden die Menschen sich nie in den Falschen oder die Falsche verlieben. Was aber den zweiten Teil des Spruches betrifft, so rate ich allen Autofahrern, diesen zu verwenden, wenn man von der Polizei beim Überfahren einer roten Ampel ertappt worden ist. »Wissen Sie, Herr Wachtmeister – das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Man muss mit dem Herzen sehen.«
Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig. (Der kleine Prinz, Seite 93)
Dieser Spruch, ebenfalls weit oben in der Hitparade der Fans, stammt von einem Fuchs, den der kleine Prinz ebenfallsin der Wüste trifft und mit dem er eines seiner wichtigsten Gespräche führt. Der Fuchs und die Rose gehören, neben dem Erzähler, der Schlange und einem Schaf, zu den zentralen Metaphern. Sie spielen tragende Nebenrollen. Die Rose wird von Interpreten übrigens für ein Sinnbild der damaligen Lebensgefährtin Saint-Exupérys gehalten. Sie ist schön, aber sie ist auch eingebildet und empfindlich, außerdem hat sie Dornen – jeder kennt solche Menschen.
In einem modernen Beziehungsfilm würde der Satz, gesprochen von einem der Protagonisten, etwa so lauten: »Weißt du, ich habe wahnsinnig viel in unsere Beziehung investiert.«
Es stimmt, dass der Faktor Zeit eine Beziehung wichtiger macht, in vielen Fällen auch stabiler, Bindungen wachsen et cetera, ersparen Sie mir die Details. Aber wieso ist diese Zeit »verloren«? Über das Wörtlein »verloren« bin ich gestolpert. Ist diese Sicht nicht ziemlich ichbezogen? Sollte die Liebe, im idealen Fall, um den es hier geht, sich nicht selbst genügen? Jesus wäre dieser Satz jedenfalls nicht unterlaufen.
Manchmal zeigt auch Saint-Exupéry seine Dornen, zum Beispiel im Buch auf Seite 28: »Wenn es sich um eine schädliche Pflanze handelt, muss man die Pflanze beizeiten herausreißen, sobald man erkannt hat, was für eine es ist.« Das könnte auch von Thilo Sarrazin stammen.
Antoine de Saint-Exupéry ist selber bestimmt auch
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