Romanze im spanischen Schloss
führte er Jillian die Treppe hinauf.
Doch unvermittelt blieb Jillian stehen und stieß einen Laut der Überraschung aus.
Beunruhigt hielt er sie am Arm fest, um sie zu stützen, falls ihr schwindlig war. „Was ist los? Geht es Ihnen nicht gut?“
„Doch, es ist alles in Ordnung.“ Behutsam löste sie sich aus seinem Griff. Wieder verspürte sie ein Kribbeln im Bauch bei seiner Berührung. „Mir war zwar bekannt, dass es Privathäuser wie dieses gibt, deren Baustil an die Alhambra in Granada erinnert, ich hatte sie aber bisher nur auf Fotos gesehen. Nie hätte ich mir träumen lassen, ein solches Juwel einmal zu betreten.“
Remi entspannte sich wieder. Ihre Begeisterung gefiel ihm, denn auch er hielt sein Elternhaus für etwas ganz Besonderes.
„Sie möchten sich sicher etwas frisch machen. Anschließend lassen wir uns das Mittagessen auf der Terrasse servieren“, verkündete er.
„Darauf freue ich mich. Zum ersten Mal seit dem Unfall bin ich wirklich hungrig.“
Sie folgte ihm durch die riesige Eingangshalle mit der hohen, gewölbten Decke über einen breiten Flur. Obwohl die Fliesen in Blau, Rot, Orange und Grün vermutlich schon vierhundert Jahre alt waren, hatten sie die leuchtenden Farben behalten.
Vor einer Doppeltür aus massivem Holz, die mit Schnitzerei verziert war, blieb er stehen, öffnete sie und ließ Jillian den Vortritt. „Links von Ihnen geht es ins Badezimmer“, erklärte er. „Fühlen Sie sich wie zu Hause. Ihren Koffer bringe ich Ihnen noch. Und denken Sie an Ihre Medikamente.“
Staunend betrachtete sie den wunderschönen Raum. Der wertvolle Kronleuchter, der von der hohen Decke herabhing, war mit vielen Kerzen bestückt, und die komplizierten Mosaike des Holzfußbodens erinnerten an maurische Muster.
Das breite Himmelbett mit den weißen Spitzenvorhängen hätte einen kleineren Raum fast völlig ausgefüllt. Jillian ließ den Blick über die Wandleuchter aus Messing zu dem schweren Schrank aus massivem Holz und dem antiken Schreibtisch gleiten.
Am anderen Ende des Zimmers entdeckte sie einen runden Tisch in ungewöhnlicher Färbung. Das gelbliche Holz war mit einer dunkleren Maserung durchzogen, und die Stühle mit den hohen Lehnen waren gepolstert. Das Sofa und die beiden Sessel, die vor dem Kamin standen, wirkten ausgesprochen bequem und einladend.
Ein Gemälde über dem Kamin interessierte sie ganz besonders. Es zeigte einen Ölbaum in voller Blüte, der einen knorrigen und leicht krummen Stamm hatte. Um lesen zu können, was auf der Plakette in der rechten unteren Ecke des Bildes stand, trat sie näher.
Gat Shemanium – das war Hebräisch, aber was bedeutete es?
Sie blickte zum Fenster hinaus auf die Olivenhaine, dann betrachtete sie wieder das Gemälde so lange und aufmerksam, dass sie fast glaubte, die silbrigen Blätter würden sich in einer leichten Brise bewegen.
Remi kannte sich natürlich seit seiner Kindheit damit aus, wie man das feine Öl aus den Früchten dieser Bäume gewann. Die Vorstellung, dass er schon sein Leben lang mit so etwas Wesentlichem beschäftigt war, berührte sie seltsam, und zu ihrer Überraschung war sie plötzlich zu Tränen gerührt.
Dummerweise kam er in dem Moment mit ihrem Koffer und den Rosen herein, die er ihr geschenkt hatte. Als er sie so aufgewühlt dastehen sah, zögerte er kurz, setzte dann ihr Gepäck ab und war mit wenigen großen Schritten neben ihr. „Was soll ich nur mit Ihnen machen?“, fragte er rau.
Sie hätte ihm genau sagen können, was sie sich wünschte, nur würde sie sich damit keinen Gefallen tun. Und ihn würde es absolut irritieren.
„So viel Schönheit rührt mich immer zu Tränen“, behauptete sie, ohne ihn anzusehen. „Was bedeutet die Aufschrift auf dem Bild?“
„Gethsemane, der Garten am Ölberg bei Jerusalem“, erklärte er. „Dort stehen noch uralte Ölbäume, die Zeugen der Gefangennahme Jesu waren. Meine Großmutter hat es für meinen Großvater als Geschenk zum ersten Hochzeitstag malen lassen, und er wollte es unbedingt im Schlafzimmer aufhängen. Meine Eltern haben es dann dort gelassen.“
„War es auch das Schlafzimmer Ihrer Mutter und Ihres Vaters?“
Er nickte. „Seit fünf Generationen war es das Elternschlafzimmer der Goyos.“
„War? Benutzen Sie es nicht mehr?“
Sekundenlang wirkte seine Miene abweisend, und Jillian befürchtete, eine Grenze überschritten zu haben. Es ging sie eigentlich nichts an, wo er schlief, doch sie wollte unbedingt mehr über ihn erfahren und
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