Romanze im spanischen Schloss
bekommen, dafür wollte er sorgen.
Ihr betont unbekümmertes Verhalten machte ihm Sorgen. Wie würde sie reagieren, wenn sie auf dem einen Auge nie wieder sehen konnte? Dass sie noch Scherze machte angesichts dieser Möglichkeit, war ihm völlig unverständlich. Unwillkürlich stöhnte er auf. Prompt wachte sie auf und sah sich verwirrt um.
„Willkommen zurück, Jillian.“
Rasch hatte sie sich wieder unter Kontrolle und richtete sich auf. „Wie lange habe ich geschlafen?“ „Ziemlich lange. Wir sind beinah am Ziel.“ „Oh nein, ich glaube es nicht.“ „Nach allem, was Sie durchgemacht haben, ist es gar nicht so unglaublich.“ Nach wenigen Kilometern verließ er die Autobahn und passierte schließlich das Tor, vor dem sie vor zwei Tagen Halt gemacht hatte.
Als er langsam über den riesigen Hof fuhr, der zwischen mehreren imposanten Häusern lag, die wie Residenzen und Überbleibsel aus einer anderen Zeit wirkten, glaubte Jillian zu träumen. Das größte Gebäude glich einem Palast. Mit der plastischen Fassadengestaltung unter Verwendung geometrischer Muster erinnerte er an die Mudéjar-Baukunst, die in Spanien auch heutzutage noch vielerorts zu finden war.
„Ich bin beeindruckt. Ihr Zuhause ist geradezu überwältigend schön.“
Bilder stiegen vor ihrem inneren Auge auf: Elegante spanische Kutschen aus früheren Zeiten, gezogen von Appaloosas, den Pferden mit der ungewöhnlichsten Zeichnung der Welt, umrundeten den reich verzierten Brunnen in der Mitte des Hofes. Und in diesen Luxus war Remi hineingeboren.
Sie drehte sich zu ihm um. „Wie alt sind die Gebäude?“
„Sie wurden Anfang des siebzehnten Jahrhunderts errichtet.“
Staunend schüttelte sie den Kopf. „Sie sind sicher jedes Mal, wenn Sie hierherkommen, von Neuem fasziniert.“
Ihre Begeisterung fand er herzerfrischend.
„Wenn das mein Zuhause wäre, würde ich es niemals verlassen.“ Sie lehnte sich zurück und hatte das Gefühl, das alles gar nicht auf einmal in sich aufnehmen zu können.
„Ich bemühe mich, so viel Zeit wie möglich hier zu verbringen“, erklärte er.
„Darf ich daraus schließen, dass Sie vorgestern in einer wichtigen Angelegenheit unterwegs waren?“
„Ja.“ Den Tag würde er so leicht nicht vergessen. Auf der Rückfahrt hatte er über den ersten guten Bericht seines Steuerberaters seit zwei Jahren nachgedacht. Und dann war er jäh aus den Überlegungen gerissen worden und mit einer lebensbedrohlichen Situation konfrontiert worden, weil sich das Auto dieser bemerkenswerten jungen Frau, deren Stärke und Mut er bewundernswert fand, vor seinen Augen überschlagen hatte.
Vor dem Haupthaus stellte er den Wagen ab. „Willkommen in La Rosaleda, Jillian“, sagte er und half ihr beim Aussteigen.
„Was genau bedeutet rosaleda?“ Sie sah ihn fragend an.
„Rosengarten. Seit beinah hundert Jahren heißt das Haus so, weil es im Innenhof einen Rosengarten gibt.“
In dem Moment wurden die beiden Flügel der breiten Tür geöffnet, und die Haushälterin kam ihnen entgegen, um sie zu begrüßen.
„Maria, das ist Mrs. Gray aus New York. Jillian, das ist meine Haushälterin Maria“, stellte er die beiden Frauen einander vor. „Sie wohnt mit ihrem Mann Paco oben im Haus.“
„Herzlich willkommen, Señora.“ Maria schüttelte ihr die Hand.
„Danke, Maria. Ich freue mich sehr, hier zu sein.“
„Darf ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen? Es ist alles für Sie vorbereitet. Kommen Sie.“
„Warten Sie bitte, Maria.“
Zu Remis Überraschung holte Jillian den Strauß ihres Bruders aus dem Wagen und überreichte ihn der Frau.
„Da Señor Goyo sich nach dem Unfall geradezu rührend um mich gekümmert hat, hat er Sie wahrscheinlich beauftragt, es mir so bequem wie möglich zu machen. Deshalb möchte ich mich bei Ihnen auch im Namen meines Bruders bedanken, der es sicher gern persönlich getan hätte.“
Maria war genauso überrascht wie Remi. Auf einmal verzog sie die Lippen zu einem breiten Lächeln. „Herzlichen Dank, Señora.“
„Nennen Sie mich doch einfach Jillian.“
„Gern … Jillian“, antwortete die ältere Frau, ehe sie mit dem Strauß in der Hand verschwand.
„Heute hat Maria zum ersten Mal in ihrem Leben Blumen von einem Gast bekommen“, stellte Remi lächelnd fest. „Das wird sie Ihnen nie vergessen.“
„Immerhin hat sie durch mich mehr Arbeit.“
„Kommen Sie, lassen Sie uns ins Haus gehen, dort ist es viel kühler als hier draußen. Die dicken Mauern halten die Hitze ab.“ Dann
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