Romanze im spanischen Schloss
hatte ihn offensichtlich mit ihrer indiskreten Frage verärgert.
„Ich wohne in dem Gebäude am nördlichen Ende des Hofes“, antwortete er schließlich.
Nicht im Haupthaus? Dann musste etwas Schlimmes passiert sein, sonst hätte er sicher nicht mit der Tradition gebrochen.
„Sie möchten noch einige Minuten allein sein, nehme ich an, oder?“ Seine Stimme klang betont sanft, Jillian ließ sich jedoch nicht täuschen.
„In fünf Minuten bin ich fertig. Wie finde ich die Terrasse?“
Er beschrieb ihr den Weg, legte die Blumen auf den runden Tisch und ging zur Tür.
„Remi …“ Als er sich zu ihr umdrehte, fuhr sie fort: „Danke für alles. Übrigens, der Tisch ist wunderschön. Was ist das für Holz?“
„Können Sie es sich nicht denken?“
„Das eines Ölbaums?“
„Ja.“
„Darauf wäre ich nicht gekommen.“
„Meine Großmutter hat mir, als ich noch sehr klein war, einmal erzählt, Ölbäume seien Gottes Lieblinge. Um die anderen Bäume, die er geschaffen hat, nicht eifersüchtig zu machen, hätte er sie mit knorrigen Stämmen ausgestattet, sodass sie nicht ganz so makellos wirkten. Sie war eine weise Frau, ich habe viel von ihr gelernt. Leider habe ich ihr Wissen und ihre Erfahrung erst viel zu spät schätzen gelernt.“ Dann drehte er sich unvermittelt um und verließ den Raum.
Jillian stellte die Rosen in die Vase, die sie auf dem Kaminsims entdeckte, und dachte über Remis rätselhafte Bemerkung nach.
Und wie alle Rätsel musste auch dieses gelöst werden …
4. KAPITEL
Wenige Minuten später verließ Jillian das Schlafzimmer und ging über den langen Flur, der auf die überdachte Terrasse und in den wunderschönen Innenhof führte. Palmen säumten den riesigen Swimmingpool mit dem klaren azurblauen Wasser und den dekorativen Kacheln.
Fast könnte man glauben, man befände sich in einer Oase mitten in der Wüste, schoss es ihr durch den Kopf, während sie langsam weiterging. Plötzlich blieb sie stehen und hielt den Atem an: Mit großen, kräftigen Zügen durchquerte Remi den Pool, und sie betrachtete fasziniert seinen schlanken, muskulösen Körper. Schließlich legte er die Hände auf den Beckenrand, schüttelte das Wasser aus dem Haar und schwang sich auf die Terrasse.
Rasch wandte Jillian den Blick ab, doch Remi hatte längst bemerkt, wie aufmerksam sie ihn musterte. Seine knappe schwarze Badehose verbarg kaum etwas.
Er griff nach dem weißen Badetuch, das auf einem Stuhl lag, und trocknete sich ab. „Ich hätte Sie gebeten, mir Gesellschaft zu leisten, aber momentan dürfen Sie ja nicht ins Wasser“, erklärte er und legte das Frotteetuch weg, ehe er ein weißes Baumwollhemd überstreifte. „Setzen Sie sich.“ Er zog einen Stuhl heran.
„Danke.“
Nachdem er sich auch niedergelassen hatte, erschien eine dunkelhaarige Frau in Jillians Alter mit einem Tablett, voll beladen mit Essen und Getränken.
„Danke, Soraya. Das ist mein Gast Mrs. Gray“, stellte er Jillian vor.
Die Angestellte blickte Jillian an. „ Buenos días , Señora.“
„Soraya ist Marias und Pacos Tochter und wohnt mit ihrem Mann Miguel und den beiden Töchtern in dem Gebäude südlich vom Haupthaus“, fügte Remi hinzu.
Jillian reichte der Frau die Hand und begrüßte sie freundlich auf Spanisch. „Ich habe eine Nichte und einen Neffen, die ich sehr vermisse. Wie heißen Ihre Kinder, Soraya?“
„Marcia und Nina.“
„Am besten bereiten Sie die beiden auf meine Augenbinde vor und erzählen ihnen, dass ich durch einen Glassplitter verletzt wurde, damit sie bei meinem Anblick nicht glauben, sie hätten ein Alien oder dergleichen vor sich“, fuhr Jillian auf Englisch fort.
Als Remi Sorayas hilflose Miene bemerkte, übersetzte er ihr Jillians Worte. Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht. Sie sagte etwas auf Spanisch, was Jillian nicht sogleich verstand, und wieder betätigte sich Remi als Übersetzer.
„Sie meint, die Mädchen würden Sie für Cinderella halten.“
„Wohl eher für ein Schreckgespenst“, entgegnete sie so leise, dass die Frau es nicht mitbekam.
Remis Lächeln verschwand. An Soraya gewandt erklärte er: „Mrs. Gray meint, Sie seien sehr freundlich.“
Jillian war entsetzt über ihren Ausrutscher. Sie blickte Soraya an und nickte. Was hätte sie auch sonst tun sollen?
Nachdem Marias Tochter im Haus verschwunden war, fing Remi seelenruhig an zu essen, als wäre nichts geschehen.
„Es tut mir leid“, entschuldigte Jillian sich.
„Früher oder später mussten Sie ja
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