Romanze im spanischen Schloss
wann die Früchte geerntet werden müssen. Aber was ich mit diesen Sachen hier machen soll, davon habe ich keine Ahnung. Sie wissen, was Sie brauchen, und deshalb möchte ich Ihnen Folgendes vorschlagen: Bleiben Sie hier, und arbeiten Sie Entwürfe für mich aus. Sie können an dem Schreibtisch in Ihrem Schlafzimmer arbeiten und sich so viel Zeit nehmen, wie Sie wollen.
Fühlen Sie sich hier wie zu Hause. Und wenn Sie irgendwohin gefahren werden möchten, sagen Sie mir Bescheid. Zu dem Termin bei Dr. Filartigua bringe ich Sie nach Madrid zurück. Dann können wir uns ausführlich über Ihre Ideen unterhalten. Was halten Sie davon?“
Sollte sie das Angebot annehmen? Ja, sie würde es tun und sich über die Zeit mit ihm freuen. Eine kleine innere Stimme warnte sie allerdings, sich darauf einzulassen, aber sie hatte sich schon entschieden und konnte einfach nicht ablehnen.
Da sie jetzt sein dunkles Geheimnis kannte, wollte sie ihm helfen, so gut sie konnte. Wahrscheinlich würde es viele Jahre dauern, bis er dieses schmerzliche Erlebnis überwunden hatte. Wenn es ihr jedoch gelang, ihm mit der Erschließung neuer Einkommensquellen zu helfen, seinen Seelenfrieden wiederzufinden, wollte sie es tun. Das war sie ihm schuldig.
„Danke, Remi. Ich nehme Ihre freundliche Einladung gern an und nutze die Zeit, detaillierte Entwürfe und einen genauen Plan auszuarbeiten. Nur lassen Sie sich jetzt bitte nicht mehr von mir von Ihrer Arbeit abhalten. Ich möchte mich hier noch umsehen und komme allein zurecht.“
„Sind Sie sicher?“
„Ja, ganz bestimmt. Und ich werde mich auch nicht überanstrengen. Versprochen.“
Er kniff die Augen zusammen. „Gut, ich verlasse mich darauf. Sie können auf der Terrasse zu Mittag essen oder sich etwas von Maria auf Ihr Zimmer bringen lassen.“
Das klingt so, als würde er dann nicht zurückkommen, dachte sie. Was hatte sie denn erwartet? In gewisser Weise war er jetzt ihr Vorgesetzter und nicht mehr ihr Retter und Beschützer.
„Ich kann genauso gut in der Küche etwas zu mir nehmen. Maria und ich haben etwas gemeinsam: Ich koche auch gern und möchte mir einige Rezepte von ihr geben lassen. Sie ist eine perfekte Köchin.“
Das Lächeln, das sein Gesicht erhellte, raubte ihr fast den Atem. „Ich werde es ihr ausrichten. Sie hat sowieso schon eine hohe Meinung von Ihnen und wird sich über Ihr Kompliment freuen. Bis später, Jillian.“
Während sie hinter ihm hersah, wie er mit langen Schritten den Raum durchquerte, verkrampfte sich ihr das Herz vor Mitleid.
Er war ein durch und durch anständiger, rücksichtsvoller und einfühlsamer Mann. Jillian konnte sich nur schwer vorstellen, dass seine Frau ihn nicht über alles geliebt, sondern nur zutiefst verletzt hatte.
Weder sein Bruder noch irgendein anderer Mann konnten ihm das Wasser reichen. Vielleicht war Javier auf seinen älteren Bruder eifersüchtig gewesen und hatte in Remis offenbar sehr oberflächlichen Frau eine Seelenverwandte gefunden. Gemeinsam hatten sie sich über die gesellschaftlichen Konventionen hinweggesetzt und waren miteinander auf und davon. Erstaunlicherweise war Remi daran aber nicht zerbrochen.
Dank seiner inneren Stärke hatte er sich nicht seinem Kummer und Schmerz über diesen schändlichen Verrat hingegeben, sondern es mit eisernem Willen, Entschlossenheit und Disziplin geschafft, das Erbe seiner Väter zu erhalten.
Natürlich hatte seine Seele Narben davongetragen, wie sie deutlich gespürt hatte, doch er war kein Mensch, der sich aufgab. Jillian bewunderte ihn aufrichtig.
Nachdem sie noch eine Weile in dem Gebäude umhergelaufen war und sich einen guten Überblick verschafft hatte, schlenderte sie ziellos durch die Gegend. Auf einmal stand sie vor der Scheune und beschloss, sich die Kutsche genauer anzusehen. War Remi darin mit seiner Familie gefahren?
Vor mehreren Jahren hatte sie mit einer Reisegruppe am Frühlingsfest in Sevilla teilgenommen. Den farbenprächtigen Umzug würde sie nie vergessen. Viele schwarze Kutschen mit Männern und Frauen in den Kostümen von Flamencotänzern wurden jedes Jahr von festlich geschmückten Pferden durch die Straßen gezogen.
Sich Remi in einem perfekt sitzenden schwarzen Anzug und mit den glühenden Blicken eines Flamencotänzers vorzustellen beflügelte ihre Fantasie. Sie stieg in die offene Kutsche, lehnte sich auf dem Ledersitz zurück, schloss die Augen und gab sich ihren Tagträumen hin.
Plötzlich hörte sie hinter sich jemanden kichern und kehrte
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