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Romanzo criminale

Romanzo criminale

Titel: Romanzo criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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rechtskräftig wegen zweier Morde verurteilt. Als Patrizia zum ersten Mal im Garten des „Sondertrakts“ aufgetaucht war, hatte Palma für sie bei den anderen Genossinnen gebürgt. Instinktives Vertrauen. Sie hatte nichts Besonderes dafür getan. Reine Neugier hatte sie getrieben, die verbotene Schwelle zu überschreiten. Neugier und der brennende Wunsch, dem Kreis der gewöhnlichen Kriminellen zu entkommen. Die Gruppe hatte ihr Misstrauen allerdings nie aufgegeben. Palma war die Einzige, die sie nicht wie eine Aussätzige behandelte. Sie hatte kein einziges Mal versucht, ihr einen Kassiber zuzustecken. Sie war so etwas wie eine Freundin, die einzige Freundin, die sie je gehabt hatte. Einmal hatte Patrizia sie provoziert.
    – Ihr sagt, ihr wollt die Revolution, alle sollen gleich sein, trotzdem behandelt ihr mich wie ein Stück Scheiße, weil ich nicht zu euch gehöre.
    Palma hatte ihr eine lange Rede über die Beziehung zwischen Bürgertum, Avantgarde und Subproletariat gehalten. Patrizia hatte die Geduld verloren.
    – Die Wahrheit ist, dass du okay bist und die anderen ein Haufen Idiotinnen sind!
    Patrizia zog eine Schachtel Marlboro aus der Hosentasche, nahm sich eine Zigarette heraus und gab sie Palma weiter.
    – Dann hast du aber keine.
    – Macht nichts. Aber rauch sie ganz allein. Die Huren sollen nicht mal einen Zug abkriegen!
    Palma lachte. Sie hatte langes schwarzes Haar und einen heiteren Blick. Sie hatte etwas Sanftes und gleichzeitig Aggressives, das die Männer verrückt machte. Sie zündete sich die Zigarette an. Palma schrieb eine Dissertation in Psychologie. Thema: Das Bild der kriminellen Frau im Wandel der Zeit. Patrizia legte sich ins Gras. Palma forderte sie auf, von ihren Träumen zu erzählen.
    – Meinen Träumen?, fragte Patrizia irritiert.
    – Von deinen, den der anderen … wie du willst.
    – Huren träumen immer das Gleiche: von einer Wohnung mit einem großen Fernseher, zwei Kindern, einem Mann, der sie nicht jeden Tag, sondern vielleicht nur am Wochenende schlägt. Sie träumen davon, beim Einkaufen mit „gnädige Frau“ angesprochen zu werden. Schöne Kleider, etwas Schmuck, ein Auto oder auch zwei … Sie träumen davon, so zu sein wie du und deine Freundinnen, und sind unfähig, diese Sache mit der Revolution zu verstehen!
    – Und du?
    – Was ich?
    – Verstehst du sie?
    – Darüber haben wir uns doch schon unterhalten, oder nicht?
    – Erzähl mir was anderes.
    – Ines del Trullo macht mir immer das Bett und kocht für die ganze Zelle. Sie reserviert mir immer die besten Bissen. Sie sitzt wegen einer alten Strafenhäufung und möchte bei mir arbeiten, wenn sie draußen ist.
    – Und lässt du sie?
    – Nicht im Traum. Ines ist ein Trampel. Erinnerst du dich an das Mädchen, von dem ich dir erzählt habe … das sie am Abend meiner Festnahme in die Zelle gesperrt haben?
    – Wie war ihr Name …?
    – Adele.
    – Ja, Adele … und wie noch?
    – Ines wollte sie ficken, seit sie sie zum ersten Mal gesehen hat. Und es ist ihr auch gelungen!
    Palma kicherte, um ihre Verlegenheit zu verbergen. Die Terroristin eine Moralistin!
    – Sie hat alles getan, um sie herumzukriegen, antwortete Patrizia, sie hat ihr ein paar Schüsse besorgt …
    – Hier? Im Gefängnis?
    – Wo lebst du eigentlich? Auf dem Mond? Ja, im Knast. Mach die Augen auf, Genossin! Als ich Wind davon bekommen habe, bin ich zu Adele und habe ihr gesagt, wenn ich sie noch einmal dabei erwische, lasse ich sie zu Matrona in die Zelle sperren …
    – Und wer ist Matrona?
    – Eine, die hundertzwanzig Kilo wiegt, wie ein Scheißhaus stinkt und sich die Füße von jungen Mädchen ablecken lässt!
    – Um Himmels willen!
    – Genau. Und Ines habe ich geohrfeigt.
    – Warum denn?
    – Weil ich sie nicht mag. Reicht das nicht als Grund?
    Palma brach in Lachen aus. Patrizia sagte, sie solle zum Teufel gehen. Palma bat sie um Entschuldigung.
    – Das ist aber schon komisch … dein Freund Dandi dealt doch.
    – Na und?
    – Na und, na und, das ist doch wirklich komisch! Er verdient draußen sein Geld mit Junkies und du nimmst ihnen hier drinnen den Stoff weg.
    Übel gelaunt ging Patrizia in ihre Zelle zurück. Palma kapierte nicht. Aber eigentlich verstand sie selbst nicht wirklich, warum sie gewisse Dinge tat. Sie machte sie einfach und basta. Sie konnte sich erlauben, sie zu machen. Und am meisten machte sie die Tatsache wütend, dass sie sich alles erlauben konnte, weil sie Dandis Freundin war. Ines kam ihr entgegen

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