Romanzo criminale
Und hätte sich nicht an der Schulter des Mannes ausgeweint, der sie ihm weggenommen hatte. Aber er war nun mal Sorcio. Und er erzählte alles Trentadenari. Dieser verabschiedete sich von ihm mit einem Schulterklopfen und erzählte so schnell wie möglich Freddo davon, und jetzt wollte Freddo ihn sehen. Sorcio wäre am liebsten davongelaufen, weit weg von dieser Kacke, von diesem vermasselten Leben. Aber mit leeren Taschen und dem Affen im Rücken kommt man nicht weit, und außerdem hätten sie ihn sowieso überall gefunden. Und so ging er eines Samstagnachmittags nach einem telefonischen Vorgespräch zu Freddo.
Freddo bat ihn, leise zu sprechen, weil sich Roberta an diesem Morgen nicht gut fühlte und schlief. Um sich Mut zu machen, hatte sich Sorcio bereits zweimal innerhalb einer Stunde einen Schuss gesetzt, und jetzt hatte er weiche Knie und eine schleppende Sprache. Er stank wie früher. Freddo öffnete das Fenster. Es war Winter und so kalt, dass sie froren. Sorcio hätte am liebsten gekotzt, er brachte kein Wort heraus. Er sprach nicht mit Worten, sondern mit Gesten. Freddo brauchte ein paar Minuten, bis er kapierte. Seine Fragen kreisten immer wieder um denselben Punkt: War er sich sicher, war er sich dieser Sache wirklich hundertprozentig sicher? Als die Spannung unerträglich wurde, begann Sorcio zu weinen. Roberta tauchte auf, bleich, im Pyjama, unfrisiert. Freddo beruhigte sie und führte sie zurück ins Bett. Sorcio hatte eine trockene Kehle. Freddo kam zurück und drängte ihn an die Wand. Er nahm einen Revolver aus der Lade und ließ die Trommel kreisen. Dann setzte er ihn ihm an die Stirn und forderte ihn auf, die ganze Geschichte noch einmal zu erzählen, vom Anfang bis zum Ende, vom ersten Geständnis der Ameise von Torpignattara bis zu dem Augenblick, in dem er nachgerechnet hatte. Und Sorcio erzählte piepsend.
– Aldo lässt sich den Stoff von den Pferden geben, ohne zu bezahlen, dann verschneidet er ihn mit Mannit, verkauft ihn unter Wert und behält das Geld. Das geht nun schon seit sechs, sieben Monaten so. Die Pferde haben Angst vor ihm, weil er einem von ihnen den Schädel eingeschlagen hat. Bis jetzt hat er auf diese Weise ein Kilo Stoff beiseitegeschafft.
Freddo legte die Waffe weg und fragte ihn plötzlich freundlich, ob er sich gerne duschen würde. Sorcio geriet in Panik.
– Du willst mich umbringen! Du willst mich umbringen! Dann bring mich gleich um … bring es hinter dich … guter Gott, bring mich um … Jesus Christus, bring mich um …
Er kreischte wie ein in die Enge getriebenes Tier. Roberta schrie leise auf. Freddo ohrfeigte ihn, dann goss er ihm ein Glas Whisky in den Rachen und setzte ihn höflich vor die Tür. Sorcio lief eine Stunde lang bibbernd durch die Straßen und sagte leise vor sich hin: „Ich lebe, ich lebe.“ Am Abend setzte er sich noch einen Schuss und schwor sich, mit diesem Leben aufzuhören. Er schwor sich, dass dies sein letzter Schuss war, dass morgen ein neuer Tag war, er schwor sich alles Mögliche, bevor ihn ein bleischwerer Schlaf übermannte.
Drei oder vier Tage nach dem Treffen mit Sorcio, als es Roberta wieder besser ging, ging Freddo mit ihr in ein Fischrestaurant in Trastevere: ein verschuldetes Lokal, das Kalabresen gehörte und auf das Dandi angeblich ein Auge geworfen hatte. Auch Aldo Buffoni war eingeladen, er hatte ein dürres, durchgeknalltes Mädchen mit langem Rock und Perlen in den Haaren mitgebracht. Sie hieß Dorotea und studierte Kunst, aber nur, wie sie sagte, um ihr Karma zu erfüllen. Roberta mochte sie und bald waren die beiden Mädchen ins Gespräch vertieft. Freddo musterte Aldo. Er war nervös, er rührte seine Spaghetti
allo scoglio
kaum an, schüttete eine halbe Flasche Weißwein in sich hinein und ging zwischen dem einen und dem anderen Glas immer wieder aufs Klo. Sie bestellten gegrillten Schwertfisch. Aldo machte dem Kellner eine Szene, weil er ihn angeblich scheel anblickte. Jemand am Nebentisch protestierte. Dorotea und Roberta, die sich angeregt unterhielten, schienen nichts mitzubekommen. Als Aldo zum x-ten Mal aufstand, folgte ihm Freddo aufs Klo.
– Freddo, die halten uns noch für schwul, sagte er, während er pisste.
Freddo grinste, trat von hinten auf ihn zu und stieß ihm mit dem Knie in den Rücken. Aldo ging zu Boden. Dann packte er ihn mit eisernem Griff am Hals und tauchte seinen Kopf in die Kloschüssel.
– Warum hast du mir das angetan, Aldo? Warum ausgerechnet du?
Aldo schlug wie wild um
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