Romanzo criminale
Millionen fordern? Na? Was soll ich tun, Anwalt?
– Dich ergeben.
– Wie soll ich mich ergeben?
– Du hast schon verstanden. Das ist kein Western. Du ergibst dich, dann sehen wir weiter.
– Was hat er gesagt? Was sagt der Anwalt? Was zum Teufel sollen wir tun, Ricotta?
Ricotta ignorierte ihn und wählte eine andere Nummer.
– Trentadenari, ich bin’s, Ricotta … ja, solala … sagen wir, wir sehen uns in gut dreißig Jahren wieder.
Heftige Schläge gegen die Türe. Die Alte heulte.
– Nicht schießen, wir kommen raus!, schrie Ricotta, der kaum aufstehen konnte.
Am liebsten hätte er laut gelacht. Es war aus. Aber es hatte Spaß gemacht. Nicolino hatte das Zeitliche gesegnet, und diesmal gab es keine Heiligen. Es war ein schönes Abenteuer gewesen. Und mit einem Zauberer wie Vasta war noch nicht alles verloren. Aber wenn er Dandi in die Finger kriegte, war er ein toter Mann.
– Los, Bufalo, gehen wir.
Bufalo ließ die Pistole auf den Boden fallen und folgte ihm mit erhobenen Händen.
IV.
Rom Kaliber 9. Die Hauptstadt versinkt im Chaos. Western auf der Collina Fleming
. Die Presse hatte Blut geleckt. Plötzlich befanden sie sich mitten in einem Film mit Maurizio Merli.
Der Staatsanwalt rühmte sich, dass er der allgemeinen Skepsis zum Trotz als Erster darauf hingewiesen habe, „dass die römische Unterwelt einen beunruhigenden Qualitätssprung vollzogen hat“. Die alten Bosse seien von einer „neuen Generation skrupelloser Gangster verdrängt worden“. Die Ordnungskräfte würden zwar vom Notstand infolge der Terrorwelle hart auf die Probe gestellt, „seien jedoch durchaus vorbereitet“, die Herausforderung anzunehmen. Doch man müsse es sich zweimal überlegen, bevor man das Wort „Bande“ oder, schlimmer noch, das Wort „Mafia“ in den Mund nehme – wie es unbedachterweise leider schon geschehen sei. Borgia hatte Scialojas ursprünglichen Bericht hervorgekramt. Er hatte das Wort Mafia klar und deutlich vor der Meute der hysterischen Journalisten ausgesprochen. Die Eitelkeit des Staatsanwaltes war ihm mittlerweile egal. Nur die Ergebnisse zählten. Die Ergebnisse und das sich verändernde Klima. Die Leute sollten zur Kenntnis nehmen, dass es auf dieser Welt nicht nur Terrorismus gab. Der Terrorismus geht vorbei. Die Mafia bleibt. Das war der Ausgangspunkt.
Rechtlich gesehen war die Situation äußerst schwierig. Bufalo und Ricotta wussten, dass sie kaum Chancen hatten. Das Wichtigste war jetzt, dass die Hintergründe nicht ans Tageslicht kamen. Vasta sollte den Schaden begrenzen.
Der Anwalt hatte eine glückliche Eingebung. Man müsse zwei verschiedene Verteidigungsstrategien fahren. Einer der beiden musste für verrückt erklärt werden: natürlich Bufalo, dessen – eindeutig irrationale – Gewaltausbrüche aktenkundig waren. Ricotta hingegen sollte erklären, er habe sich von seinem Freund mitreißen lassen. Damit die Rechnung aufging, durfte man allerdings auf keinen Fall den Verdacht erregen, dass es sich dabei um eine Finte handelte. Vasta verzichtete also auf Ricottas Verteidigung und übergab sie einem Kollegen.
– Wenn alles glattgeht, kommt Bufalo mit zehn Jahren Irrenhaus davon!
– Und ich?
– Weniger als sechsundzwanzig, siebenundzwanzig Jahre kannst du dir aus dem Kopf schlagen. Aber immerhin nicht lebenslänglich!
Und so schrieb Bufalo einen Brief, den er Borgia zukommen ließ. Unterstützung erhielt er dabei von Pischello, der ihn, kaum hatte er ihn im Hof erblickt, mit einer herzlichen, brüderlichen Umarmung begrüßte.
Lieber Richter,
ich habe Nicolino Gemito umgebracht, weil das Arschloch meinen brüderlichen Freund Libanese umgebracht hat. Seit Libanese tot ist, ist mein Leben eine einzige Hölle. Zuerst habe ich in der Nacht von ihm geträumt, er war leichenblass und hat mich gerufen und angefleht, ich schwitzte und sagte zu ihm: Du bist doch tot, ruhe in Frieden, was kann ich für dich tun, aber er hat keine Ruhe gegeben und gesagt, seine Seele würde erst dann Frieden finden, wenn der Verbrecher für seine Schuld gebüßt hätte … dann hörte ich Stimmen: Tag und Nacht haben sie zu mir gesprochen, Libanese saß in meinem Hirn und schrie immer wieder nur ein Wort: „Rache, Rache!“ Ich konnte nicht mehr schlafen, ich hatte alle meine Freunde verloren und die Lebensfreude eingebüßt. Und als ich mich dann immer noch nicht entscheiden konnte, ist er mir erschienen. Das erste Mal ist er im Fernsehen aufgetaucht, er hat bei einem Film mitgespielt, und
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