Romanzo criminale
kehrte um. Er ging hinein, ohne zu klopfen. Vecchio betätigte gerade eine Spieluhr, ein altes Spielzeug mit zwei anmutig tanzenden Damen. Er hatte nicht mit Scialoja gerechnet: Er sah ihn mit erschrockenen Augen an und klappte augenblicklich die mechanische Schachtel zu: Ein Kind, das mitten bei einer verbotenen Freizeitbeschäftigung erwischt wird.
– Es würde mir wirklich sehr leidtun, wenn dem armen Ranocchia etwas ... zustoßen sollte.
Vecchio entspannte sich.
– Seien Sie ganz ruhig, unterbrach er ihn mit einem bösen Grinsen.
V.
Freddo dachte, dass die Treffen mit Scialoja schön langsam zur Gewohnheit würden. Der Bulle trug einen roten Rollkragenpullover. Er wollte sie unbedingt gegeneinander ausspielen und wusste nicht, dass er sich die Anstrengung hätte sparen können. Sie waren nämlich schon längst keine Gruppe mehr. Sie hatten sich ganz ohne die Hilfe anderer zerstritten.
– Was können Sie mir über Terenzio Gemito erzählen?
Was sollte er ihm erzählen? Nicolino Gemito hatte einen Neffen, Terenzio. Er ging seinen Geschäften nach und mischte sich nicht in die der anderen ein. Mit dem Tod von Libanese hatte er nichts zu tun. Um das zu klären, hatte es sogar ein Treffen zwischen Dandi und Freddo vor der Trattoria
Agustarello
im Testaccio gegeben. Sie waren zwar nicht wieder Freunde geworden, aber sie waren so auseinandergegangen, wie sie sich getroffen hatten: in Frieden.
– Nichts, Kommissar.
– Heute Nacht, als er nach Hause kam, hat jemand auf ihn geschossen.
– Tut mir leid, aber ich ...
– Er ist tot. Sechs Schüsse aus einer Kaliber 38. Es gibt einen Zeugen. Er hat erzählt, dass Gemito von einem Einzeltäter angegriffen wurde. Der Killer soll eine kleine, gedrungene Person mit rundem Gesicht sein ...
– Warum erzählen sie mir das alles? Ich bin kein Verräter ...
– Schauen Sie sich das an ...
Freddo hatte plötzlich ein Phantombild in den Händen, und er musste sich sehr anstrengen, um nicht zusammenzuzucken. Das war entweder Botola oder sein Zwillingsbruder. Botola war jedoch ein Einzelkind.
– Wer soll das sein?, seufzte er gelangweilt und gab das Blatt zurück.
– Sie brauchen nicht zu Ihrem Freund Botola zu rennen, flüsterte der Polizist mit einem müden Lächeln, früher oder später nageln wir ihn sowieso fest. Deshalb und wegen anderer Dinge. Wir nageln euch alle fest. Macht euch keine Illusionen. Ich an Ihrer Stelle würde den Kopf aus der Schlinge ziehen, solange es noch geht ...
Das war ein eindeutiges Angebot, ein Aufruf zur Denunziation. Freddo zündete sich eine Zigarette an und blies dem Arschloch den Rauch ins Gesicht.
– Darf ich jetzt gehen? Oder Sie rufen meinen Anwalt ...
Sie ließen ihn kommentarlos gehen. An der Tür des Kommissariats begegnete er Staatsanwalt Borgia. Er ging an ihm vorbei, als ob er ihn gar nicht gesehen hätte. Es war ein abgekartetes Spiel. Sie versuchten ihn aus der Ruhe zu bringen.
Am Abend ging er ins
Climax Seven
. Geburtstagsfest für einen von der Democrazia Cristiana, der mit irgendeiner Schauspielerin fickte. Ehrengast war ein berühmter Sänger. Der Türsteher, ein Neuling, wollte ihn nicht reinlassen, weil er nur Jacke und Jeans trug und nicht dem Ambiente entsprach. Dandi löste das Problem und führte ihn ins Büro. Auf dem Schreibtisch lagen Austernschalen. In der Luft das unverwechselbare Parfum Patrizias, eine Mischung aus allzu intensivem Blütenduft und purem Sex. Dandi und Freddo waren steif und förmlich: weniger wie alte Waffengenossen, sondern eher wie Araber und Israelis am Verhandlungstisch. Freddo hatte eine direkte, schnörkellose Rede vorbereitet. Der Pakt konnte nur funktionieren, wenn die Grenzen respektiert wurden. Gemeinsame Aktivitäten mussten unbedingt gemeinsam beschlossen wurden. Die Gemito-Brüder gingen alle an, und wenn man etwas gegen sie unternahm, musste es von allen beschlossen werden. Der Mörder des armen Teufels, der ihnen übrigens niemals ans Zeug geflickt hatte, hatte die Regeln verletzt.
– Hör zu, Dandi, nur aus Respekt vor dir haben wir Botola bis jetzt geschont ...
Dandi schnaubte, suchte etwas in dem auf dem Schreibtisch liegenden Haufen und schleuderte Freddo schließlich eine Menge Fotos ins Gesicht. Darauf waren Botola und Maestro zu sehen, im Smoking. Botola und Dandi mit einem Champagnerglas in der Hand. Botola und Patrizia im Abendkleid. Dandi, Maestro und ein dicker, grau gekleideter Mann mit Bürstenschnitt und den beunruhigenden Augen eines Fuchses.
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