Romanzo criminale
Meinung geändert und angeordnet, man möge ihm den Polizisten bringen. Er hatte es sich anders überlegt, weil sie sich gerade in einer ruhigen Phase befanden. Vecchio hasste Ruhe, selbst vorübergehende. Die Brigaden waren wie Schnee in der Sonne weggeschmolzen. Ein wenig verschärfte Haftbedingungen und sie waren in die Knie gegangen. Umsichtige Infiltration hatte das Übrige getan. Die Geschwindigkeit, mit der sie die Waffen niederstreckten, sprach Bände. Die Roten hatten und haben ein großes Problem: einen deprimierenden Mangel an Mumm. Von Stalin einmal abgesehen. Er war der Einzige, der sie das Fürchten gelehrt hatte. Vecchio bewunderte Stalin. Auch wenn er den kleinen, dämonischen Lawrenti Beria eindeutig bevorzugte. Der Linksterrorismus hatte jedenfalls seine historische Funktion erschöpft. Die sympathisierenden Soziologen arbeiteten schon an der „Rehabilitation der Generation des bewaffneten Kampfes“. Mit einem Wort: tödliche Langeweile. Wenn es kein Reißbrett gab, auf dem er seine Fähigkeiten als Fälscher entfalten konnte, fühlte sich Vecchio wie ein Raffael ohne Staffelei, wie ein Thomas Mann mit Schreibhemmung. Deshalb ließ Vecchio den Polizisten in ein fiktives Büro bringen, in dem der Schreibtisch von leeren Dossiers und stummen Telefonen übersät war, und überreichte ihm das Original des Berichts, den er nach der Ermordung von Nembo Kid abgefasst hatte. Scialoja warf einen spöttischen Blick auf das große Glasfenster, durch das man die Kuppel des Petersdoms sah. Zeta und Pigreco waren auch da, mit scheinbar gleichgültigem, in Wirklichkeit jedoch wachsamem Blick. Vecchio saß wie ein undurchdringlicher Felsen an seinem Schreibtisch, betrachtete ihn aus halb geschlossenen Augen und seine dicken Finger spielten mit einem winzigen Lapislazuli-Stein. Scialoja nahm das Kuvert mit dem Kokain aus der Tasche und legte es vorsichtig auf den Schreibtisch. Vecchio runzelte die Stirn.
– Ist noch alles da. Vielleicht ein wenig feucht ...
Vecchio drehte den Kopf kaum merklich in Richtung Zeta. Der stürzte nach vor und steckte den Stoff in die Tasche.
– Das haben wir aus dem Reptilienfonds bezahlt, Sie erinnern sich doch, fügte Pigreco pflichtbewusst hinzu.
– Dandi hat es euch gegeben, lachte Scialoja trocken.
Zeta wollte protestieren, aber Vecchio ließ ihn nicht zu Wort kommen.
– Lasst uns allein.
Die beiden Spione gingen, sichtlich verärgert. Scialoja schlug die Beine übereinander.
– Wie ich sehe, umgeben Sie sich gern mit zuverlässigen Leuten.
Vecchio öffnete eine Holzschachtel, holte zwei dicke Zigarren heraus, bot eine davon Scialoja an.
– Danke. Ich rauche lieber Toscani.
– Schlecht. Los, bedienen Sie sich. Ist eine echte Cohiba. Vielleicht ist es ein Gemeinplatz, dass die kubanischen Zigarren die besten der Welt sind, aber Gemeinplätze sollte man nicht verachten.
Scialoja gab nach. Er zündete die Zigarre an. Sie war stark und samtig, duftete nach Wald und altem Brandy.
– Ausgezeichnet. Sagen Sie mir ja nicht, dass Sie Ihnen Fidel höchstpersönlich schickt.
–
Touché
, kicherte Vecchio, mit einer Grimasse, die ihn aus irgendeinem Grund an den widerlichen Ranocchia erinnerte.
– Die beiden haben es verpatzt, fuhr Scialoja fort.
– Na ja, brummte Vecchio. Das kratzt mich nicht. Es ist Teil der Regeln. Ich hasse zuverlässige Leute. Zuverlässige Leute sind loyal, haben also keine Fantasie. Wenn ich mich mit zuverlässigen Leuten umgäbe, wäre ich schon seit geraumer Zeit unter der Erde ...
– Und wo sind Sie jetzt? In der Kommandozentrale? Am Drücker? In der höchsten Etage? Wo zum Teufel sind Sie?
Vecchio zuckte mit den Achseln.
– In einem Büro, das es gar nicht gibt, in einem Palazzo, den es gar nicht gibt, in ein Gespräch vertieft, das es gar nicht gibt ... stellt Sie die Antwort zufrieden?
Scialoja blätterte seinen Bericht durch. Er war voller unterstrichener Stellen, Randbemerkungen, Ausrufezeichen.
– Immerhin gibt es diese Akten. Früher oder später wird sich jemand dafür rechtfertigen müssen.
– Vielleicht, vielleicht aber auch nicht ... wissen Sie, dieses „Früher oder Später“ erinnert mich an ein altes Gedicht von Corneille ...
La marquise
. Die Gräfin ist eine Hure ... Sie wissen ja, was für eine Art Frau das ist, Sie kennen sich bei diesen Dingen ja aus.
–
Touché
.
Vecchio mochte Scialojas Stil. Schön langsam fand er Gefallen an dem Gespräch.
– Gut, sagte er anerkennend, aber sprechen wir wieder von
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