Romanzo criminale
Wer brauchte Beweise? Es war alles so eindeutig, so stimmig ...
Als Sorcio Freddo in Francos Bar sah, wusste er sofort, dass er geliefert war. Seine Knie wurden weich und das Lächeln erstarb auf seinen Lippen. Das Lokal war zum Bersten voll, und Freddo hatte keine Lust, ihn vor einem Haufen Zeugen zu erschießen.
– Komm mit, sagte er.
Sorcio folgte ihm gefügig, am ganzen Leib zitternd.
Freddo führte ihn zu seinem Golf, setzte ihm die Waffe an die Hüfte und sagte ganz deutlich:
– Und jetzt suchen wir uns einen schönen Platz zum Sterben.
In diesem Augenblick war er kein Mensch mehr, sondern eine Maschine.
Aber offenbar gab es irgendwo oben im Himmel einen arbeitslosen Schutzengel, der bereit war, seine weiten Flügel über Verräter wie Sorcio auszubreiten. Er hatte ihn schon einmal gerettet, als Sorcio Libaneses Tasche gestohlen hatte. Und sogar Freddo hatte sich früher einmal wegen der Geschichte mit dem armen Aldo Buffoni bei ihm bedankt. Ja, Sorcio hätte einen anderen Namen annehmen sollen. Er hätte sich „Irgendwerda-oben-liebt-mich“ nennen sollen. Denn kaum war Freddo auf die Autobahn Richtung Fiumicino eingebogen, wurden sie von einem Fiat Uno angehalten: einer Zivilstreife.
Sorcio, der seinen Augen nicht trauen konnte, begann zu kreischen: „Achtung, er ist bewaffnet!“ Die Bullen hatten plötzlich ihre Dienstwaffen in der Hand. Freddo, der ein guter Verlierer war, händigte lächelnd seine Kaliber 9 aus, eine nicht registrierte Waffe mit beschränkter Matrikelnummer. Und so fanden sich der verhinderte Mörder und sein noch einmal davongekommenes Opfer in Regina Coeli wieder und zerbrachen sich den Kopf über die Macht der Himmelskräfte.
Weder Freddo noch Sorcio ahnten, dass der Schutzengel Scialoja hieß. Er hatte lange gebraucht um herauszufinden, wer dieser Sorcio war, ein kleiner Fisch, den niemand kannte, aber schließlich hatte es sich ausgezahlt, ihm ein paar loyale Jungs auf die Fersen zu heften. Scialoja rieb sich die Hände. Einmal abgesehen von der Verhaftung – wenn es ihm gelänge, diesen Sorcio ordentlich zu bearbeiten ...
Freddos Verhaftung verunsicherte nicht nur Scrocchiazeppi und Fierolocchio, die ihre Loyalität nie aufgeben würden, sondern auch Trentadenari. Aber weniger aus Gründen der Freundschaft, sondern weil er nun auf Sorcio verzichten musste. Es würde nicht einfach sein, einen Vorkoster seines Kalibers zu ersetzen! Dandi hingegen fühlte sich zum x-ten Mal darin bestätigt, dass er die Strategie des Rückzugs gewählt hatte. Wenn sich sogar Freddo, der Einzige, der ihm aufgrund seiner Intelligenz und seines Mumms gefährlich werden konnte, mit den Problemen seines süchtigen Bruders herumschlug, dann war klar, dass sie mittlerweile tatsächlich auf zwei verschiedenen Planeten lebten. Aufgrund des Abkommens standen ihm mittlerweile andere Männer und andere Kanäle zur Verfügung, er musste bloß noch die Altlasten loswerden. Er musste die passende Gelegenheit ergreifen. Aber Dandi schreckte davor zurück, einen Krieg anzuzetteln. Wenn er zum Angriff überging, dann präzise und endgültig. Aber solange Freddo, Bufalo und Ricotta saßen, würde er vielleicht verdächtige Spuren hinterlassen. Freddo war ein würdiger Gegner. Bufalo musste man im Auge behalten ... außerdem kontrollierte Trentadenari den ganzen Verkauf: Der Neapolitaner ließ allerdings mit sich reden. Es war nicht gesagt, dass die Pistolen das letzte Wort haben mussten: Hin und wieder wurde eine kriminelle Vereinigung auch im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst. Fürs Erste mussten sie weitermachen wie bisher: Die chinesische Bezugsquelle war in den Dienst der Allgemeinheit gestellt worden, auch wenn Dandi sich die ausschließliche Kontrolle über die Lieferungen vorbehielt. Was im Klartext bedeutete, dass er drei Kilo bezog und nur zwei seinen Freunden gegenüber deklarierte. Und nur ein Anteil des Ertrags daraus floss in die Gemeinschaftskasse. Den Rest teilte er sich halbe-halbe mit Secco.
Secco war eine wahre Wirtschaftsmacht: Er verstand es nicht nur vorzüglich, Geld in Umlauf zu bringen, was ja allseits bekannt war, sondern er war auch äußerst geschickt darin, die richtigen Kontakte herzustellen. Je besser das Abkommen funktionierte, desto mehr staunte Dandi darüber, wie viele Menschen Secco in der Hand hatte: Beamte, Polizisten, Baumeister, Bankdirektoren, sogar zwei oder drei Richter. Viele von ihnen standen auf seiner Gehaltsliste, andere erpresste er aufgrund ihrer
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