Romanzo criminale
sexuellen Gewohnheiten oder sie bezahlten Seccos hohe Wucherzinsen in Form von Naturalien. Und dann auch noch die Politiker! Secco schmierte sie ausgiebig, er ging mit ihnen zu Abend essen, er versorgte sie mit willigen Mädchen, warf ein dichtes Netz aus Interessen und Komplizenschaften aus, das er wie ein tüchtiger Fischer zum richtigen Zeitpunkt einzog.
Sogar ein alter Fuchs wie Zio Carlo kannte Secco. Dandi hatte gemeinsam mit ihm Baugründe an der Küste von Sabaudia besichtigt, auf die Zio Carlos Mailänder Partner ein Auge geworfen hatten. Auch Maestro war dabei. Zio Carlo bemäkelte den safrangelben Ferrari, den Dandi vor drei Tagen gekauft hatte.
– Viel zu auffällig.
– Aber Zio Carlo, wozu ist Geld gut, wenn nicht, um das Leben zu genießen?
– Gib acht, mein Sohn, verlier nicht den Verstand.
Dandi hätte gern was erwidert, aber Zio Carlo hatte bereits das Thema gewechselt. An diesem Tag war er besonders guter Laune: In Palermo war gerade wieder mal so ein Wichser von Richter in die Luft gejagt worden, der gemeint hatte, er müsse die Arbeit der Staatsanwaltschaft modernisieren. „Pool“ hieß diese Gruppe von Arschköpfen. Und Zio Carlo hatte ihnen mit modernen Methoden geantwortet. Über Secco hatten sie erst ganz zum Schluss gesprochen.
– Ein interessantes Element, hatte Maestro in mahnendem Tonfall gesagt, aber wir sollten nicht allzu sehr auf ihn hören.
– Die Situation ist völlig unter Kontrolle!
– Das werden wir ja noch sehen.
Was beunruhigte Maestro? Dandi wusste sehr gut, dass Secco eine falsche Schlange war, ein geborener Verräter. Aber die Zeiten Libaneses und Freddos waren auf jeden Fall vorbei. Loyal war man heutzutage nur mehr dem Markt gegenüber. Bündnisse mussten Tag für Tag neu ausgehandelt werden.
Um die Fäden auch weiterhin in der Hand zu haben, verließ sich Dandi auf Seccos Fähigkeit, Menschen zu manipulieren. Secco hatte zwar eine Menge Geld und besaß eine diabolische Fähigkeit, mit den Mächtigen zu verhandeln, aber er hatte keine Ahnung davon, wie man auf der Straße argumentierte. Seine eigenen Jungs wurden zwar aufgrund seiner Geschäftsideen immer fetter, aber sie respektierten ihn höchstens, lieben würden sie ihn nie. Dandi würde sie der Reihe nach auf seine Seite ziehen. Secco würde es nicht einmal bemerken. Secco war ein Einzelgänger. Secco konnte zwar einen Mord in Auftrag geben, würde jedoch nie den Mut haben, offen einem Feind gegenüberzutreten. Secco hatte weder die Statur noch den Mumm eines Bosses. Und wenn er ihm eines Tages lästig werden würde, so war für ihn die Kugel reserviert, die an jenem Abend im Magazin geblieben war ...
V.
Beim ersten Verhör nach der Verhaftung gab Freddo zu Protokoll, er habe Sorcio, den er seit Libaneses Zeiten kannte, im Auto mitgenommen. Natürlich wusste er nicht, dass der Junge eine Waffe hatte, die obendrein nicht registriert war. Angesichts seiner Vorstrafen und der „Aufmerksamkeit“, die ihm die Polizei entgegenbrachte, hätte er sich sonst sehr wohl davor gehütet, ihm sein Auto und, wie er mit einem ironischen Lächeln hinzufügte, seine „Freundschaft“ zur Verfügung zu stellen.
Sorcio hatte Scialoja anvertraut, dass ihn Freddo umbringen wollte. Aber beim Staatsanwalt war er in ein hartnäckiges Schweigen verfallen. Nachdem er vier Tage und vier Nächte in Einzelhaft verbracht hatte, gab er die Abstinenz auf. Kaum war er etwas ruhiger, bat er, den Richter sehen zu dürfen, und beschwor ihn, mit einem anderen die Zelle teilen zu dürfen.
Sonst glauben sie noch, ich ... sei ein Verräter, ich würde singen ...
Scialoja schlug ihm gemeinerweise vor, ihn in eine Zelle mit Freddo zu stecken. Daraufhin wurde Sorcio ohnmächtig und man brachte ihn so schnell wie möglich auf die Krankenstation. Wieder mal eine Ermittlung, die im Ansatz erstirbt, hatte Borgia kommentiert. Aber Scialoja gab nicht nach: Sie mussten Sorcio bearbeiten. So eine Gelegenheit kam nicht wieder. Dass ein Verbrecher vom Kaliber Freddos eine Null wie Sorcio im Auto mitnahm und nicht einmal wusste, dass dieser eine Waffe bei sich hatte, war ein Ammenmärchen. Und warum hatte Sorcio eigentlich eine Waffe? Sorcio war ein kaputter Fixer, mit kleinen Vorstrafen wegen Diebstahl und Straßenverkauf. Allein, dass er neben Freddo im Auto saß, war verdächtig. Nein, Sorcio hatte die Wahrheit gesagt. Freddo wollte ihn umbringen. Das „zufällige“ Auftauchen der Streife hatte ihm das Leben gerettet. Man musste herausfinden,
Weitere Kostenlose Bücher