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Romanzo criminale

Romanzo criminale

Titel: Romanzo criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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immer in seiner Zelle und zählte die Läuse an der Wand. Überall lange Gesichter, sie maulten und rissen zynische Witze. Ricotta war wirklich ein braver Junge. Er litt, wenn er sah, wie traurig, sauer und erschöpft sie waren. Er sprach mit Bufalo und mit Freddo, und schließlich gelang es ihm mithilfe eines nachsichtigen Leutnants, sie alle an einen Tisch zu bringen.
    – Was ist los, Genossen, was ist in euch gefahren? Die draußen haben alles in der Hand. Rom gehört noch immer uns, wie früher. Der Gewinn wird regelmäßig ausbezahlt und wir beide, Bufalo, die wir am längsten sitzen, bekommen den doppelten Anteil. Darf man erfahren, was zum Teufel nicht funktioniert?
    – Dandi soll genauso sitzen. Wie alle anderen auch, brüllte Bufalo.
    – Von dieser Idee bist du besessen, stieß Botola hervor. Kapierst du denn nicht, dass es ein Segen für uns ist, wenn Dandi draußen ist? Wenn sie ihn auch noch einbuchten, wer bleibt dann übrig? Trentadenari? Nero? Sie allein reichen nicht aus, sie haben nicht den nötigen Mumm.
    – Trentadenari hat wenigstens einmal gesessen, murrte Bufalo, aber Vasta hat ihn rausgeholt!
    – Bufalo, nimm dich zusammen. Schön langsam gehst du uns mit dieser Geschichte auf die Eier!
    – Du hast gut reden, du Schleimer!
    Botola sprang auf. Bufalo spuckte auf den Boden.
    – Suchst du Streit?
    Fierolocchio und Scrocchiazeppi wollten nichts damit zu tun haben. Ricotta stellte sich zwischen die beiden und entschuldigte sich im Namen Bufalos bei Botola. Dann warf er Freddo einen verzweifelten Blick zu. Freddo schüttelte den Kopf, stand auf und verließ wortlos den Raum. Ricotta konnte es einfach nicht lassen, er versuchte noch immer Frieden zu stiften. Aber sie gaben ihm bald zu verstehen, dass das verlorene Liebesmüh war. Ricotta, der Einsamkeit und Schweigen nicht aushielt, freundete sich mit Tonchino an, einem Brigadisten älteren Jahrgangs mit Mandelaugen.
    Merkwürdig, denn einerseits bedauerten sie die Terroristen, vor allem die Roten, und andererseits verachteten sie sie. Aber Tonchino war anders. Er war offen. Er spielte merkwürdige Lieder auf der Gitarre und las Tonnen von Büchern. Er hatte zweimal lebenslänglich ausgefasst und noch jede Menge Verfahren offen. Er war arm wie eine Kirchenmaus, so arm, dass ihm Ricotta aus Mitleid regelmäßig und heimlich einen Teil seines Gewinns zusteckte.
    Eines Tages sah Ricotta, wie Tonchino gerade eine Seite aus einem Buch kopierte.
    – Was ist das? Wieder mal ’ne Proklamation des bewaffneten Kampfes?
    – Dichtung, antwortete der andere trocken.
    – Dichtung?
    – Ja, Ricò, Dichtung. Sogar Mao hat Gedichte geschrieben!
    – Tatsächlich. Ach ja, ich verstehe: Weil ihr mit dem Maschinengewehr nichts ausgerichtet habt, macht ihr jetzt Revolution mit Gedichten!
    Tonchino lachte und warf ihm das Buch zu.
    – Nimm, bilde dich!
    Als Ricotta den Titel sah, strahlte er über das ganze Gesicht.
    – Ach, Pasolini. Den hab ich gekannt. Der war super!
    – Weißt du auch, dass er Kommunist war?
    – Nicht nur das, er war auch schwul. Aber jeder, wie er will! Was hat das mit der Revolution zu tun?
    – Das weiß ich auch nicht, antwortete Tonchino nachdenklich, ich weiß nur, dass sie mich hier drinnen als menschliches Wesen vernichten wollen. Die Dichtung erinnert mich daran, dass ich lebe. Dass es mich noch gibt, mit einem Wort …
    Ricotta machte eine verächtliche Bemerkung. Das menschliche Wesen. Aber wer weiß, vielleicht konnte ihm der Brigadist noch nutzen.
    – Hör mir zu, wenn du dich bei Gedichten so gut auskennst … könntest du mir einen Gefallen erweisen. Du könntest einen Brief für mich schreiben!
    Tonchino wurde ganz freundlich.
    – Hast du eine Freundin?
    – Leider nicht! Aber wenn du mir hilfst, finde ich vielleicht eine …
    Er dachte schon eine Zeitlang an Donatella. Eine schöne Frau, voller Feuer und Leidenschaft. Nembo, der sich in Mailand abknallen hatte lassen, hatte ihr einen bösen Streich gespielt. Aber vielleicht hatte sie ihr Witwendasein schon satt. Und zwei Wörtchen zum richtigen Zeitpunkt …
    – Na gut, fangen wir an. Was soll ich ihr schreiben?
    – Tja, dass das Leben hier drinnen Scheiße ist. Dass ich einen Steifen bekomme, wenn ich nur an sie denke … was meinst du? Ist das zu viel für den Anfang?
    – Lass mich arbeiten, du Verrückter!, lachte Tonchino.
    Als Donatella den ersten Brief las, wurde sie stinksauer. Was bildete sich Ricotta bloß ein, er stank doch so sehr und war so

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