Romanzo criminale
zutiefst von der Richtigkeit seiner Forderungen überzeugt ist.
– Krebs ist eine heimtückische Krankheit, Richter. Er nistet sich in den geheimen Winkeln unseres Körpers ein und schlägt unversehens zu, hin und wieder unerbittlich …
– Was heißt das im vorliegenden Fall?
– Im vorliegenden Fall haben wir es mit einer seltenen Form von Pseudo-Hodgkin zu tun … die fast immer tödlich ist …
– Fast immer.
– Gewiss, es ist ein schwieriger Augenblick … die schrecklichen Bilder der Bombe im Zug haben sich auch mir ins Gedächtnis eingebrannt … ich verstehe, dass Maßnahmen zum Schutz der Öffentlichkeit getroffen werden müssen, aber ich möchte nicht, dass mein noch dazu schwerkranker Mandant für die Schuld eines anderen büßt …
Dandi, der dem Gutachten des berühmten Onkologen Professor Gustavo Blinis zufolge todkrank war, beinahe schon in Agonie lag, konnte also nicht einmal zum Verhör erscheinen. Vielleicht, mit entsprechender Behandlung, mithilfe einer intensiven und äußerst teuren Therapie, mithilfe einer effizienten Rund-um-die-Uhr-Betreuung … würde man den unvermeidlichen Exitus zwar nicht verhindern, aber vielleicht etwas hinausschieben können …
Borgia bot sich ein ganz anderes Bild: Er hatte es mit einem ein Meter achtzig großen und zweiundneunzig Kilo schweren Kriminellen zu tun, einem großen Kaliber, der im Augenblick seiner Verhaftung ein Luxusleben führte, den Polizisten gegenüber freundlich und höflich war, obwohl sie ihn hopsgenommen hatten, der eine traumhafte Wohnung, eine bigotte Ehefrau und eine Freundin hatte, die eine Hure war, wenngleich eine Klassehure und noch dazu steinreich. Borgia konnte sich den spontanen Applaus gut vorstellen, mit dem der dritte Trakt Dandis Einlieferung begrüßt hatte: einen Applaus, der in eine Ovation übergegangen war, als er den Arm zum Zeichen des Grußes gehoben hatte. Und dann das rhythmische Schlagen der Blechnäpfe gegen die Eisenstäbe der Zellen … ein Konzert für Dandi … und seinen Anwalt Miglianico: einem Mann, der sich fragwürdige Vergehen auf halbem Weg zwischen Terrorismusbegünstigung und Erpressung hatte zuschulden kommen lassen und der seinerzeit sogar angeklagt worden war, sich sowohl die Einschreibung ins Anwaltsregister als auch das Abschlussdiplom mit zweifelhaften Mitteln erschlichen zu haben. Aus Mangel an Beweisen war er freigesprochen worden, wie fast alle seine Mandanten. Aber alle wussten, wie wenig vertraut er mit Paragrafen und Gesetzesbüchern war. Der Freispruch musste also auf anderen Wegen erwirkt werden. Auf Wegen, die Dandi zu beschreiten beschlossen hatte, als er sich entschied, den guten Vasta abzulegen, einen von der alten Schule, der zwar ein Schlitzohr, aber im Grunde sauber war … Dandi hat die Seilschaft gewechselt, sagte sich Borgia. Dandi hat einen Qualitätssprung gemacht … aber mit wem? Wer sonst hat Vasta diesem parfümierten Betrüger Miglianico zuliebe verlassen? Was passiert innerhalb der Gruppe?
– Hilfsweise, Herr Doktor, und weil ich mich gerne auf der sicheren Seite weiß, verlange ich für meinen Mandanten ein ärztlich-rechtliches Gutachten und ernenne schon jetzt Professor Blinis zum Parteisachverständigen …
Borgia formulierte eine ablehnende Stellungnahme zur Haftentlassung aus medizinischen Gründen und widersetzte sich auch der Gewährung des Hausarrests. Krebs! Aber die Atteste – wie tüchtig die Jungs doch bei der Beschaffung von Attesten waren! – lagen vor, und der Untersuchungsrichter verfügte kraft seines Amtes ein Gutachten.
Aus der Einzelhaft wurde Dandi direkt auf die Krankenstation verlegt. Dort begegnete er Bufalo, der gerade eine seiner regelmäßigen Kontrollen über sich ergehen lassen musste. Sie starrten sich verlegen an. Dann brach Bufalo das Schweigen.
– Tut mir leid, dass sie dich geschnappt haben, Dandi!
Dandi zog den Rotz hoch und gab einen verächtlichen Einsilber von sich.
– Red keinen Scheiß …
Bufalo dachte ein wenig nach, dann versetzte er ihm spielerisch einen Faustschlag.
– Um ehrlich zu sein, konnte ich es gar nicht erwarten, dass sie auch dich schnappen …
– Jetzt erkenne ich dich wieder!
Dandi lachte. Auch Bufalo lachte. Sie besiegelten das Stillhalteabkommen mit einem halbherzigen Handschlag. Bufalo gab Dandi ein paar Joints und Dandi revanchierte sich mit einem Briefchen Koks. Die Krankenstation war warm und gemütlich. Die Kontrollen waren lachhaft. Patrizia hatte ihm eine Schachtel kubanischer
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