Romanzo criminale
Geheimnisse werfen lassen. Der Name von Zio Carlo war gefallen. Zio Carlo war seit fünfzehn Jahren untergetaucht, aber an einem Märzvormittag nahmen sie ihn in einer Villa an der Via Appia fest, gemeinsam mit dem getreuen Maestro. In einem fein säuberlich geführten Adressenverzeichnis auf einem karierten Blatt Papier fand sich eine chiffrierte Telefonnummer. Alle Versuche, Zio Carlo zur Mitarbeit zu bewegen, waren vergeblich – um sich die Formalitäten zu ersparen, hatte er im Augenblick der Festnahme vorgetäuscht, stocktaub zu sein, und deshalb hatten sich die Männer von der Antiterroreinheit an einen berühmten Professor gewandt, einen großen Dechiffrierexperten. Der Code war im Laufe eines Nachmittags geknackt worden. Es stellte sich heraus, dass es sich um die verschlüsselte Nummer einer Phantom-Immobiliengesellschaft in der Gegend der Castelli handelte. Eine bis an die Zähne bewaffnete Truppe drang ins Büro ein, wo sie Pigreco entdeckte. Er berief sich auf die Solidarität unter Kollegen und bat um die Erlaubnis, das Telefon zu benutzen. Aber am anderen Ende ertönte nicht die verärgerte Stimme von Vecchio. Die Leitung war tot. Während die anfängliche Verwunderung der Beamten in eine immer größer werdende, gefährliche Form von argwöhnischer Neugier überging und die Fragen nur so auf ihn niederprasselten, versuchte Pigreco hektisch, Zeta aufzutreiben. Umsonst. Dann hatte er sich auf die Suche nach anderen, weniger bekannten Kollegen begeben, er hatte der Reihe nach die ganze Hierarchie bis zu seinen Untergebenen durchtelefoniert. Alles umsonst. Es war, als ob sie ihn von der Liste gestrichen hätten. Es gab ihn gar nicht mehr. Sogar bei der „offenen“ Telefonzentrale der Immobiliengesellschaft meldete sich niemand. Als schließlich ein Streifenpolizist nervös das Wort „Massaker“ fallen ließ, bat Pigreco, mit dem Polizisten sprechen zu dürfen.
– Erklär du ihm, dass ich nichts mit der Bombe zu tun habe, flehte Pigreco, als man um Mitternacht endlich Scialoja aufgetrieben hatte.
– Warum ausgerechnet ich?
– Weil sie dir glauben. Sie wissen, dass wir keine Freunde sind. Ich habe nichts damit zu tun, ich schwöre es dir! Wir haben nie Bomben gelegt …
– Und das soll ich dir glauben?
– Wie du willst, aber bring mich hier raus.
– Warum?
– Weil ich dir im Gegenzug was geben kann, was dir sehr wichtig ist.
– Und was?
– Dandi!
– Und außerdem?
– Vecchio. Ich biete dir eine Fährte an. Einen Zusammenhang. Du wirst berühmt werden. Der berühmteste Polizist von ganz Italien.
Scialoja zündete sich eine Zigarette an und reichte sie ihm. Der Spion machte gierig zwei Züge.
– Wie willst du das schaffen, Pigreco?
– Mithilfe von Larinese, Gott hab ihn selig.
Als Scialoja im Morgengrauen bei Borgia in die Wohnung platzte, klatschnass vom Regen und mit flackerndem Blick, dachte dieser, er hätte den Verstand verloren. Empört über den Einbruch in ihre Privatsphäre verbarrikadierte sich Borgias Frau mit den weinenden Kindern im Schlafzimmer. Mit einem bitteren Seufzer dachte Borgia an das, was ihm nun wieder bevorstand: Streit, lang andauernder Groll, dicke Luft, mühsame Versöhnungsversuche, der bittere Vorwurf, die Familie über der Arbeit zu vernachlässigen und so weiter und so fort, und er bekam eine Mordswut auf den irren Missionar im Trenchcoat. Er versuchte ihn zu überreden, das Gespräch zu verschieben, er versuchte sogar, wenn auch nicht sehr überzeugt, ihn vor die Tür zu setzen. Scialoja drückte ihn in ein hässliches Fauteuil im schwedischen Stil der Sechzigerjahre und sagte, er solle stillsitzen, bis er fertig geredet hatte.
– Larinese ist ein hervorragender Fälscher, der beste im Geschäft. Er steht auf der Gehaltsliste von Vecchio. Während der Moro-Entführung wird er engagiert, um die Behörden in die Irre zu führen und sie im Lago della Duchessa nach der Leiche suchen zu lassen. Erinnern Sie sich an das berühmte gefälschte Kommuniqué der Roten Brigaden, aufgrund dessen die halbe italienische Polizei die Leiche des toten Präsidenten im zugefrorenen See suchte? Nun, das war sein Werk. Tatsache ist, dass der See in der Gemeinde von Gradoli liegt. Man musste einen anderen, diesmal echten Hinweis vertuschen: Die Anführer der Brigaden versteckten sich in einer Wohnung in der Via Gradoli, die nie durchsucht wurde. Und damit nicht genug: Nach dem Meisterwerk mit dem Kommuniqué verschwindet Larinese von der Bildfläche. Bis man ihn
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