Romanzo criminale
sein, aber gewiss nicht in den Augen Dandis, der ihn viel zu gut kannte. Bufalo brütete etwas aus. Er tat so, als hätte er sich mit der Situation abgefunden, aber tief in seinem Inneren gärte noch immer der alte, tiefe Hass. Dandi beschloss, dass diese Geschichte unbedingt geklärt werden musste, bevor sie ihnen allen auf den Kopf fiel. Botola, Scrocchiazeppi und Fierolocchio zogen los, um einen Kontakt zu Bufalo herzustellen. Aber zu spät. Bufalo war bereits in die Haftanstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher überstellt worden. Letztendlich hatte man ihn wegen der Geschichte mit den Gemito-Brüdern doch für unzurechnungsfähig erklärt.
Die Lösung des Problems hatte man der funktionierenden Seilschaft, Vastas Unverfrorenheit und wie immer dem Glück zu verdanken.
Baldissera, der Psychiater, der felsenfest davon überzeugt war, dass Bufalo simulierte, hatte sich um einen Primarposten im Norden beworben. Vorsitzender der Prüfungskommission war, wer sonst, der gerissene Professor Cortina. Baldissera war mit Asche auf dem Haupt bei ihm aufgetaucht.
– Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich mich bei Ihnen einschmeicheln will.
– Aber wie kommen Sie auf die Idee, hatte Cortina gelächelt. Sie sind doch ein tüchtiger und ehrenwerter Kollege …
– Andererseits möchte ich auch nicht, dass die Differenzen, die wir in der Vergangenheit gehabt haben, allzu sehr Ihre Entscheidung beeinflussen …
– Seien Sie ganz beruhigt! Intelligente Personen finden immer eine Einigung …
Drei Tage nach der Unterredung verabschiedete sich Baldissera aufgrund „unlösbarer Konflikte“ aus dem Gutachterkreis. Zwei Fliegen auf einen Schlag: Er wahrte sein Gesicht und das Gutachten war unbrauchbar. Um festzustellen, ob Bufalo verrückt war oder nicht, musste man wieder von vorne anfangen. Der Untersuchungsrichter, dem einerseits Borgia Druck machte und dem Vasta andererseits zur Vorsicht riet, hatte die Nase gestrichen voll. Er behielt sich die Entscheidung vor.
Vasta nutzte die Gunst der Stunde. Abgesehen von der Sache mit den Gemito-Brüdern hatte Bufalo noch einen Haufen anderer Anklagen am Hals. Eine davon, ein Raubüberfall aus grauer Vorzeit, als er noch nicht einmal mit Libanese befreundet war, war aufgrund einer merkwürdigen Kompetenzfrage Borgia entzogen worden und wanderte jetzt zwischen einem Staatsanwalt von der Antiterroreinheit und einem alten, abgetakelten Untersuchungsrichter hin und her. Vasta erklärte, dass er seinen Mandanten für verrückt hielt. Und wenn er zum Zeitpunkt des Mordes verrückt gewesen war, konnte er im Falle des Raubüberfalls nicht bei geistiger Gesundheit gewesen sein. Also musste man auch in dieser alten Angelegenheit ein Gutachten erstellen. Der Richter hielt den Vorschlag für vernünftig und beraumte eine Anhörung zur Ernennung des Gutachters an. Trentadenari und Nero statteten der wichtigen Persönlichkeit, die sie seit zwei Jahren erfolglos bearbeiteten, einen kleinen Besuch ab. In der einen Hand trugen sie einen Pelz und eine Rolex, in der anderen eine Knarre. Die wichtige Persönlichkeit nahm das Ultimatum zur Kenntnis, und bei der Anhörung wurde Doktor Polistena zum Gutachter ernannt, ein junger Kollege, der gerade seine Facharztprüfung bestanden und sich mit einer Arbeit über Schizophrenie mit paranoiden Zügen habilitiert hatte, die sich an einschlägigen Klassikern, vor allem an Cortinas 1971 erschienenem Standardwerk, orientierte. Polistena untersuchte Bufalo, seine Assistentin unterzog ihn den Tests und im Nu lag die Diagnose vor: Schizophrenie mit paranoiden Zügen und totale Unzurechnungsfähigkeit. Vasta klopfte an die Tür des Richters, der den Gemito-Fall bearbeitete, und kehrte den Spieß um: Wenn Bufalo zum Zeitpunkt des Raubüberfalls verrückt gewesen war, wie konnte er dann beim Mord geistig gesund gewesen sein? Der Richter rief Polistena und eine andere Null zu sich und gewährte ipso facto weitere dreißig Tage, um einen Nachtrag zum Gutachten zu erstellen. Im Lauf eines Monats wurde Bufalo ein zweites Mal für unfähig erklärt, „das Unrecht der Tat zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln“. Ein Meisterwerk. Das Verfahren wurde zwar nicht eingestellt, aber der schwerwiegendste Punkt der Anklage war gefallen. Borgia tobte. Und tobend verfasste er eine Berufung, von der er sich jedoch nicht viel erwartete. Er wusste, dass es verheerende Folgen haben konnte, wenn die Hintertür der Unzurechnungsfähigkeit einmal geöffnet war.
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