Romanzo criminale
nicht klein beigeben.
– Ich kann einfach nicht glauben, dass Dandi mir so einen Streich gespielt hat. Dabei war es die Idee von Nercio, diesem dreckigen Sizilianer.
– Du sitzt jetzt schon eine Ewigkeit und hast es immer noch nicht begriffen? Dandi ist ein Stück Scheiße.
– Aber er hat dich doch rausgebracht!
– Und sie haben mich wieder gefasst. Na und? Gleichstand!
– Ich kann es nicht glauben.
Er gab Donatella den Auftrag, Dandi die Beschwerden vorzubringen. Sie trafen sich bei Patrizia. An diesem Tag war Dandi in Hochform. Er machte einen Witz nach dem anderen und suchte hektisch nach einem Hemd, das zu seiner unglaublichen Clubkrawatte passte.
– Er möchte in die Politik gehen, seufzte Patrizia verächtlich und feilte sich die Nägel.
– Was ist daran so merkwürdig? Wenn es Cicciolina geschafft hat, dann kann wohl auch ich …
Donatella unterdrückte ein Lachen und kam vorsichtig auf das Thema des Gewinnanteils zu sprechen. Dandi gab sich brüderlich, aufmunternd. Zuerst einmal ließ er Ricotta sehr herzlich grüßen. Ein echter Freund, einer von der Sorte, die man nicht vergisst. Er würde mit Nercio sprechen und alles würde gutgehen. Um seinen guten Willen unter Beweis zu stellen, sagte er zu ihm, er solle sich fürs Erste dreißig Riesen nehmen. Zuzüglich zum Gewinnanteil, gewissermaßen als Wiedergutmachung für das Missverständnis.
Ricotta rieb sich die Hände und machte in Richtung Fierolocchio eine abfällige Geste.
– Da! Und du hast gesagt, er sei ein Stück Scheiße!
– Tja. Er hat dir ein nettes Zugeständnis gemacht …
– Halt schon den Mund!
Ricò, du bist wirklich naiv. Er macht es wie Horatti und Curatti: heute mir und morgen dir und am Ende bescheißt er uns alle.
II.
Das oberste Kassationsgericht
Das Schwur- und Berufungsgericht von Rom (…)
Der Großinquisitor Tomas De Torquemada verfasste 1460 eine Reihe von Abhandlungen über das Geständnis und die Vorladung von Mitschuldigen, wofür er folgende Worte prägte:
legitima, vitiosa, libera, coacta, simplex, qualificata.
Diese Definitionen sollten den Prozess endgültig lösen beziehungsweise festlegen, ob Geständnis oder Anklage der Wahrheit entsprachen. Und, was noch schwerwiegender ist, die Folter legitimieren oder zu einem wünschenswerten Mittel machen
.
Das war der Triumph der Folter: Legalisiert und einem komplexen, raffinierten und ausgiebigem Ritual unterworfen, verfolgte sie das Ziel, Geständnisse und Beschuldigungen von Komplizen zu erzwingen. (…)
Der Kreuzweg des Mailänder Gesundheitsrats Guglielmo Piazza, der Bekanntschaft mit dem Schandpfahl geschlossen hatte und nach der Folter den natürlich unschuldigen Schuhmacher Mora als „Pestsalber“ denunziert hatte, weil man ihm dafür Straffreiheit oder Strafminderung versprochen hatte (…), beweist, dass nur bei der mittelalterlichen Inquisition das Geständnis und die Anklage von Mitschuldigen eine wichtige Rolle spielten (…), während man heutzutage angesichts des neu erwachten Respekts vor der menschlichen Person zur Kenntnis nimmt, wie wenig die Denunziation zur Wahrheitsfindung, dem einzigen und höchsten Ziel des Prozesses, beiträgt
.
(…) Welche Rolle spielt also der „Kronzeuge“ im gegenständlichen Verfahren? Wer ist dieser (…), genannt Sorcio, von dessen Aussage die Freiheit einer beträchtlichen Anzahl von Beschuldigten abhängt?
Dieser, ein gewohnheitsmäßiger Krimineller und Drogenabhängiger, ein geständiger Konsument von Kokain, Heroin und allen anderen möglichen und vorstellbaren psychotropen Substanzen, ist aufgrund seiner Geständnisse und aufgrund des im Gefängnis an den Tag gelegten Verhaltens und darüber hinaus aufgrund seines Verhaltens gegenüber den Ermittlungsbeamten als geistig abnormer und gewiss psychisch labiler Charakter einzustufen. Die Anpassungsschwierigkeiten, die er seit früher Kindheit aufweist, die gescheiterte Schulkarriere, die Unfähigkeit, eine anständige Arbeit anzunehmen und – sofern er eine hatte – auch beizubehalten, die mangelnde emotionale Reife, die Unfähigkeit, sich wie ein verantwortungsvoller Bürger zu verhalten und die gesellschaftlichen Normen zu respektieren, sein Hang zu illegalen Aktivitäten, die zahlreichen Verhaftungen, die emotionalen Störungen mit häufigen depressiven und manischen Phasen bis hin zum Selbstmordversuch im Gefängnis, der verantwortungslose Hang zur Sucht: lauter Symptome eines Geistesschwachen mit asozialen Zügen, die auf eine hochgradige
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