Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Romanzo criminale

Romanzo criminale

Titel: Romanzo criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
Vom Netzwerk:
Kollegen hassten die militanten Kommunisten, weil die Roten Brigaden im Namen des Kommunismus mordeten. Seine Kollegen hassten die Sozialisten, die verhandeln wollten. Die auf „die unilaterale humanitäre Geste“ bestanden, aber mit Verbrechern setzt man sich nicht an den Verhandlungstisch. Die Kollegen hassten die Christdemokraten, ihre tausendjährige Erfahrung in Sachen Märtyrertum: Die Christdemokraten, die mit zitternder Oberlippe und hängenden Lidern beteten und sich die Hände wie zu Zeiten Pontius Pilatus’ in Unschuld wuschen. Seine Kollegen zollten einzig und allein dem alten Papst Respekt, der auf die Knie gefallen war und „die Männer der Roten Brigaden“ um Gnade gebeten hatte. Indessen ölten sie ihre Waffen. Wenn ich ins Gras beißen muss, dann nehme ich zumindest ein paar von diesen roten Kanaillen mit. Es herrschte Kriegsstimmung. Eine Stimmung wie nach einer Niederlage. Die Richter rangen nach Luft. Die Intellektuellen liefen im Kreis. Die „Bewegung“ soldarisierte sich über die freien Radios auf dialektische Weise mit den „Genossen, die einen Irrtum begehen“. Es war unglaublich, dass das Volksgefängnis nicht gefunden werden konnte. In der Zwischenzeit schrieb der Gefangene Briefe und die Empfänger beeilten sich, sie nicht zu identifizieren. Und die Briefträger der Roten Brigaden liefen fröhlich zwischen Telefonzellen und Mistkübeln hin und her. Die falschen Hinweise schossen üppig ins Kraut. Man suchte Moro in Häusern am Stadtrand und in einem zugefrorenen See. Die Roten Brigaden bestimmten das Spiel, und sie alle waren Zielscheiben, sie waren wütend, deprimiert, hilflos. Im Bann eines Kommuniqués der Kerkermeister: Wir beenden den Prozess und werden das Urteil vollstrecken. Das hieß, dass sie es noch nicht vollstreckt hatten. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Ermittlungen zur Entführung des Barons waren bereits Schnee von gestern. Alle waren hinter den ungreifbaren Kriegern her. Auch Borgia, der damit beauftragt war, sich mit den Rändern des breiten Feldes „links der außerparlamentarischen Linken“ zu befassen. Auch Scialoja, der inzwischen eine feste Anstellung bei seinem Staatsanwalt hatte. Angeblich hatte er eine linke Vergangenheit, warum sie nicht ausnutzen? Scialoja hatte sich einen Bart wachsen lassen. Er war endlich bei der Antiterroreinheit gelandet, jedoch zutiefst enttäuscht. Die Tage vergingen mit Besprechungen und Analysen der wortreichen Dokumente der Kollektive, die im Universitätsviertel wie Pilze aus dem Boden schossen. Und am Abend besuchte er, als Ex-Jugendlicher verkleidet, Treffen, wo er sich mit einem Haufen Jugendlicher anfreunden musste, die ganz geil auf den bewaffneten Kampf waren, mit Meistern der wirren Rede, die einmal mit dabei waren und dann wieder nicht. Mit Schnöseln, Spätromantikern, die mit ihrer Vorliebe für Kürzel und Anklagen à la Dritte Internationale hin und wieder für Komik sorgten. Die Avanguardia Operaia beschuldigte die Studentenbewegung, die „neue Polizei“ zu sein. Lotta Continua beschuldigte die Autonomia Operaia, die „neue Polizei“ zu sein. Autonomia Operaia beschuldigte Lotta Continua, die „neue Polizei“ zu sein. Und das Ganze vor den Augen der einzigen wirklichen Polizei, die sich in Salons, Hörsälen, Kellerlokalen strategische Stützpunkte gesucht hatte. Scialoja, der Che gelesen hatte, hatte sogar Verständnis für einige ihrer Argumente. Aber er konnte auch nicht das Blut der Opfer in der Via Fani vergessen. In dem Augenblick, in dem Blut vergossen wird, wechselt man auf die falsche Seite. Scialoja stellte sich die Rotbrigadisten als ungeschlachte, plumpe, kalte, peinlich genaue und banale Typen vor, systematische Buchhalter des Terrors. Bei den Vollbärten, die mit zornigen Worten das Kollektiv heraufbeschworen, waren sie gewiss an der falschen Adresse. Die erschlugen einen höchstens mit Zitaten von Marx, Deleuze und Guattari. Die anderen hatten allenfalls einen Grundschulabschluss und schwielige Hände, konnten jedoch ein Maschinengewehr im Nu zusammensetzen. Die einen gaben einen Wortschwall von sich. Die anderen ein Rinnsal aus Blei.
    Eines Abends, als er wieder einmal einem erweiterten Treffen des Circolo di Controcultura Operaia in der Via Luigi Luiggi in der Garbatella beiwohnte, bat ihn plötzlich jemand um Feuer. Er kramte in seiner Tasche und reichte dem anderen ohne zu zögern das Feuerzeug.
    – Danke, Genosse!
    Er glaubte einen spöttischen Ton zu erkennen. Er sah ihn aufmerksam

Weitere Kostenlose Bücher