Romanzo criminale
an. Der andere blinzelte ihm zu. Tagliaferri, „Spillo“ genannt. Bereitschaftskommando. Ein Kollege, sofern ein Polizist und ein Carabiniere Kollegen sein können.
– Gern geschehen, Genosse.
– Auch du heute hier, Genosse?
– Auf höheren Befehl, Genosse.
Tagliaferri war ein zynischer Typ aus Livorno. Er rühmte sich, drei Kerben auf seiner Dienstberetta zu haben. Drei Schusswechsel, zwei mit Kataniern, die es in die Versilia verschlagen hatte, und einer mit den Klugscheißern von Prima Linea aus Verbania. Keine Verletzung, nicht einmal ein Streifschuss. Sie verzogen sich unter eine Pergola, über die sich eine Glyzinie aus dem Garten der Nachbarsvilla rankte. Der Eingang des Lokals wurde von zwei Dumpfbacken bewacht, die nicht sehr intelligent dreinblickten. Die Genossen tröpfelten spärlich herein. Keiner schien sich um die beiden zu kümmern. Tagliaferri erklärte, dass die Gruppe seit geraumer Zeit aktenkundig war. Sie operierten nicht im Untergrund. Sie achteten nicht auf Sicherheit. Dennoch rechnete man mit Festnahmen. Der Bulle war mehr als bereit zu plaudern. Scialoja ermutigte ihn nicht. Er rauchte ebenfalls eine Zigarette und beobachtete gleichgültig, wie die Mitglieder der militanten Gruppe herbeiströmten, er atmete den leicht nach Alkohol riechenden Duft der Glyzinie ein. Im Filmklub in der Via Benaco wurde
Im Zeichen des Bösen
gespielt. Am liebsten hätte er sich den Film noch einmal angesehen, zum elften, nein zwölften Mal. Die Geschichte brachte ihn jedes Mal aufs Neue aus der Fassung. Charlton Heston war ein demokratischer und ehrlicher Polizist, so einer, wie auch er sein wollte. Orson Welles war ein Bandit in Uniform, dreckig, gierig, korrupt. Ein Faschist, wie der Großteil seiner Kollegen. Aber Heston war auch ein Trottel, der sich von den Tränen eines Bombenlegers an der Nase herumführen ließ. Und Welles ein Meisterdetektiv, der einen Schuldigen am Geruch erkannte. Man musste ihn einfach bewundern. Er war gerade ins Gespräch mit Tagliaferri vertieft und wollte schon gehen, als er sie sah. Enge Jeans, weißes T-Shirt, schwarzes Jäckchen. Sie war in weniger als einem Meter Entfernung an ihm vorbeigegangen. Sie hatte ihn nicht bemerkt. Noch eine Genossin, die bereit war, den Machthabern und den Bürgern Gewalt anzudrohen. Er beneidete sie um ihre Gelassenheit! Er hingegen war zusammengezuckt und Tagliaferri hatte es bemerkt.
– Kennst du die?
– Aber woher!
– Ich dachte nur … geile Schnitte, nicht wahr?
– Ziemlich.
– Belli Sandra. Genossin Sandra. Eine von der harten Sorte. Sobald wir das Okay bekommen, ist sie die Erste, die sitzt. Ich würde sie gerne persönlich verhaften. Bloß wehren sollte sie sich. Wenn die Verdächtige sich zur Wehr setzt, bist du gezwungen, ich wiederhole gezwungen, Hand an sie zu legen.
Scialoja zündete sich noch eine Zigarette an.
Festnahmen, fuhr der Bulle fort. Zwei, vielleicht drei. Belli ganz sicher. Das Grüppchen des Arbeiterzirkels machte zwar niemandem Angst, aber die Idioten versuchten Kontakt mit einem Typ von der römischen Kolonne herzustellen, der untergetaucht war. Mit dem Genossen Nardo. Einem harten Burschen. Zwei sichere Tötungsdelikte. Möglicherweise führte die Belli sie zu ihm. Es war etwas im Gange. Die Zeit drängte.
– Vielleicht morgen oder vielleicht auch erst in einer Woche, wer weiß.
– Vielleicht niemals, mutmaßte Scialoja.
– Ausgeschlossen. Irgendwann schnappen wir sie.
Die beiden Dumpfbacken am Tor des Arbeiterzirkels gaben einen schrillen Pfiff von sich. Tagliaferri antwortete ebenfalls mit einem Piff.
– Alles in Ordnung. Wir kommen.
Die Trottel gingen hinein. Tagliaferri schlug Scialoja auf die Schulter.
– Die sind so blöd, dass sie mich in den Ordnungsdienst aufgenommen haben. Keine Ahnung, ob du es kapiert hast, aber sie haben mich zu dir geschickt, um dich zu kontrollieren! Gehen wir?
Tagliaferri hatte sich in Bewegung gesetzt, er war sich sicher, dass Scialoja ihm folgen würde. Aber Scialoja sah sich außerstande hineinzugehen. Sandra hätte ihn auf den ersten Blick erkannt. Seine Tarnung wäre aufgeflogen. Er lief ihm nach und tischte ihm eine klassische Lüge auf. Tagliaferri war voller Verständnis.
– Ein Mädchen? Aber ja doch, hier kann man ja keine aufreißen …
vaja con diòs, compañero
! Aber denk daran: Du schuldest mir einen Gefallen!
Scialoja parkte seinen alten auberginefarbenen Mini Minor unter den Glyzinien und wartete. Nach drei Stunden und fünfzig
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