Romanzo criminale
weder von Schwulen noch gar von Minderjährigen. Auch wenn man die Sache geheim hielt, würde das Bordell bald einen gewissen Ruf genießen. Und dann würde man ihnen auf die Nerven gehen. Patrizia wusste, dass man sich mit der Sitte in allem arrangieren konnte, nur nicht, was Minderjährige betraf. Minderjährige sind tabu. Wenn auch nur einmal ein Junge über diese Schwelle tritt, hast du dir dein ganzes Leben versaut.
Mithilfe von Weinkrämpfen, Witzen und Orchideen hatte Ranocchia sie zu einem Kompromiss bewegt: Er würde höchstpersönlich ein Zimmer im zweiten Stock verwalten; aber im Gegensatz zu den Mädchen, von denen manche im Bordell wohnten, müssten die Jungen, die garantiert älter als einundzwanzig waren, immer wieder aufs Neue angeheuert werden, je nach Bedarf, und sie dürften auch nicht im Bordell schlafen. Als Dandi von der Sache mit den Schwulen erfuhr, machte er einen Witz auf Kosten Ricottas.
– He, Ricotta, du hast dich doch von Pasolini ficken lassen: Hättest du nicht Lust auf ein paar knackige Ärsche?
Ricotta schluckte mehrmals und verfluchte den Tag, an dem er sich zu dem Geständnis hatte hinreißen lassen, dass auch er einmal, aber wirklich nur einmal mit dem Dichter …
Wenn Ranocchia Frauen gefallen hätten, hätte er sie geheiratet. Patrizia war sein Typ. Vielleicht war er sogar ein bisschen in sie verliebt. Als die Agenten Zeta und Pigreco auftauchten, beschwor er sie, sie in Ruhe zu lassen. Aber für Zeta und Pigreco handelte es sich nur um Arbeit. Sie führten nur Befehle aus. Befehle von Vecchio, dem Alten, höchstpersönlich.
– Sie wird euch zum Teufel schicken, sagte Ranocchia in flehendem Tonfall.
– Und wir werden dafür sorgen, dass die Bude geschlossen wird, erwiderte Zeta.
– Es ist nicht so, wie ihr denkt.
– Wen interessiert, was wir denken. Hier wird gefickt oder täusche ich mich?
– Warum seid ihr so verdammt ordinär?
– Und warum bist du so verdammt schwul?
– Da müsst ihr euch einen anderen suchen. Den Gefallen tu ich euch nicht. Nur über meine Leiche.
– Dann wanderst du eben auf fünfzehn Jahre ins Kittchen …
Es war Arbeit. Erpressung. Vecchio, der Alte, sagte immer, Schwule könne man wunderbar ausnutzen. Schwule seien Fähnchen im Wind der Leidenschaften. Früher oder später beginge jeder Schwule einen nicht wiedergutzumachenden Fehler. Und landete auf der Gehaltsliste des Vecchio. So ist es immer gewesen und so würde es immer sein. Immer. Und obwohl er sich sträubte und fluchte, letzten Endes stellte er die beiden Patrizia als wichtige Kunden vor. Sie erkannte sie auf den ersten Blick: Bullen, wenn nicht gar schlimmer. Aber aus anderem Holz geschnitzt als der merkwürdige Typ, der sich auf ihre Fersen geheftet hatte, bevor sie sich ernsthaft mit Dandi eingelassen hatte. Scialoja. Der roch …, ja wonach roch er? Ach ja, nach Tabak und etwas Süßlichem. Die hier stanken nach Leder und Metall. Widerliches Pack. Mit verächtlichem Blick schickte sie Ranocchia weg.
– Ihr seid zur falschen Zeit gekommen, wir haben Ruhetag. Aber wenn Sie mir eine halbe Stunde Zeit geben, rufe ich die rothaarige Milly und die blonde Ketty …
– Wozu die Eile?, antwortete der größere der beiden.
Graue Augen, Bürstenschnitt, gut geschnittener Anzug, herbes Rasierwasser.
– Ja, wozu die Eile?, echote der andere, der klein und gedrungen war, schmierig. Ein Typ, zu dem Haarnetz, Brillantine und Toupet gepasst hätten.
Die Katze und der Fuchs, dachte Patrizia. Wollten sie sich ein wenig umsehen? Sie begann im Erdgeschoss. Zeta und Pigreco lobten die schlichte Einrichtung.
– Ein gemütliches Wohnzimmer, um die Gäste mit äußerster Diskretion zu empfangen … aber würde eine Bar nicht gut hierherpassen?
– Getränke gibt es in allen Zimmern, erwiderte sie eiskalt.
– Getränke und wohl auch ein bisschen Koks, was?
– Hier gibt es keine Drogen.
– Schade.
– Tja, wirklich schade.
Im ersten und im zweiten Stock befanden sich die Schlafzimmer.
– Im ersten Stock sind die Zimmer der fixen Mädchen. Im zweiten die der anderen.
– Und wo führt diese Tür hin?
– Hier könnt ihr hineingehen, wenn ihr Männer mögt.
– Um Himmels willen, hältst du uns für schwul?
– Du hältst uns doch nicht wirklich für schwul?
Zeta und Pigreco begutachteten zwei x-beliebige Zimmer. Nichts war dem Zufall überlassen worden. Ein großes rundes Bett, Kühlschrank, erotische Drucke an den Wänden, 16-mm-Projektoren für Pornofilme, Schränke
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