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Romanzo criminale

Romanzo criminale

Titel: Romanzo criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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also sterben. Darf ich erfahren, wieso?
    – Wieso leben Sie?
    Scialoja klappte sein Notizbuch zu.
    – Ich komme morgen wieder. Vielleicht sind Sie dann gesprächiger.
    – Gehen Sie nicht!, wimmerte Ranocchia. Gehen Sie nicht!
    Der warme Körper, der sich in Griffweite seines eigenen verwüsteten Körpers befand, entzündete in ihm eine gefährliche Lebenslust.
    Scialoja blieb neben der Tür stehen.
    – Sie werden mir nicht glauben, aber der Grund ist eine Frau …
    – Sind Sie in sie verliebt?
    – Komisch, was? Aber genauso ist es. Patrizia ist einzigartig … Wenn ich Ihnen von ihr erzähle, würden Sie sie bloß für eine Hure halten …
    Scialoja zuckte mit keiner Wimper. Aber innerlich jubelte er. Endlich bekam dieses traurige Dasein einen Sinn. Denn Ranocchia führte ihn direkt zu Patrizia: Das war der einzige Grund, warum er sich für dieses drittklassige Verbrechen interessierte. Der Portier der Pension, dessen Zunge sich wie durch ein Wunder gelöst hatte, nachdem ihm die Jungs von der Einsatzpolizei die Worte Beihilfe zum Mord ins Ohr gebrüllt hatten, hatte ihn auf die Spur gebracht. Ranocchia? Wohnt auf der Piazza dei Mercanti. Die Jungs von der Einsatzpolizei waren zur Piazza dei Mercanti gebraust und hatten dort „Signora Vallesi Cinzia angetroffen, eine Bekannte des Opfers, die mit dem Vorfall überhaupt nichts zu tun hat“. Der Bericht war in der Mappe „Anzeige gegen Unbekannt“ auf dem Schreibtisch Borgias gelandet, der inzwischen nur mehr die widerlichen Fälle bearbeitete, vor denen es den Feinschmeckern der Staatsanwaltschaft grauste wie vor verdorbenem Käse. Borgia hatte den Akt gelesen, herzlich gelacht und ihn weitergereicht. Ranocchia sang in beinahe poetischen Tönen das Loblied auf die ferne Geliebte, die er nie besitzen würde. Scialoja hörte ihm zu, fasziniert, gespannt. Ranocchia bat ihn, sein Kissen aufzuschütteln. Aber das war nur ein Vorwand, um den warmen Körper in seiner Nähe zu spüren. Der Polizist beugte sich über ihn. Er roch nach Zigaretten und Resignation. Aber er war wach und aufmerksam. Ranocchia argwöhnte, dass ihn Patrizia ein wenig zu sehr interessierte. Ranocchia bildete sich viel auf seine Kupplerqualitäten ein. Auf seinem verwüsteten Gesicht tauchte ein süßliches Lächeln auf. Scialoja deutete es richtig. Er verschanzte sich hinter der Würde des Kommissars.
    – Sie haben mir noch immer nicht gesagt, warum Sie sterben wollten … weil Sie sie nicht haben können?
    – Aber ich will sie ja gar nicht haben! Keiner kann Patrizia haben, und schon gar nicht die, die glauben, sie in der Hand zu haben …
    – Nicht einmal Sie …
    – Sagen wir, sie hat mir die Freundschaft entzogen.
    – Ist sie Ihrer überdrüssig?
    – Ich habe ihr die falschen Personen vorgestellt … aber es blieb mir nichts anderes übrig.
    – Warum?
    – Was das anbelangt, berufe ich mich mit Verlaub auf mein Recht zu schweigen.
    Scialoja begriff, dass der magische Augenblick vorüber war.
    – Ich danke Ihnen. Sie haben mir sehr geholfen. Ich gehe jetzt und lasse Sie in Ruhe.
    Ranocchia brach in Lachen aus. Ein jäher Schmerz raubte ihm beinahe den Atem. Er hustete. Er machte Scialoja ein Zeichen, er möge näher kommen.
    – Ich hasse es, in Ruhe gelassen zu werden. Aber Ihnen …
    – Mir?
    – Ihnen, flüsterte er, bin ich völlig egal … und auch die Ermittlungen sind Ihnen völlig egal … Sie interessieren sich nur für Patrizia … Sie möchten sie kennenlernen … oder vielleicht kennen Sie sie bereits?
    Scialoja machte einen Schritt zurück. Ranocchia packte ihn an der Hand.
    – Kommen Sie mich wieder besuchen. Ich werde Ihnen von ihr erzählen … ich werde Ihnen von ihren Schwachpunkten erzählen … aber machen Sie sich keine Illusionen … Sie werden das gleiche Ende nehmen wie alle anderen auch …
    Scialoja ging durch die Tür, gefolgt vom hinterhältigen Lachen der Tunte, und begab sich direkt auf die Piazza dei Mercanti. Er betrachtete das Gebäude, er betrachtete die Limousinen, die vor dem Tor standen, er sah zwei Typen mit dem Ausdruck von Rausschmeißern, die den Eingang bewachten. Er konsultierte das Grundbuch und fand heraus, dass das Gebäude Vallesi Cinzia, genannt Patrizia, gehörte. Die zweifellos falsche Kaufsumme war in bar hinterlegt worden. Der Wohnsitz des Vorbesitzers, eines gewissen Luciani, befand sich in der Via Aurelio Saffi. Aber in der Via Aurelio Saffi gab es keine Häuser. Neben einer alten, baufälligen Mauer stand ein alter Wohnwagen.

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