Romanzo criminale
Blick.
– Hör mir gut zu, Libanese ...
– Nein, hör du mir gut zu: Vielleicht brauchen wir euch, aber nicht so sehr, wie ihr uns braucht. Euch gehört die Macht, uns die Straße. Und das interessiert euch. Die Straße. Denn ohne die Straße ist eure Macht nichts wert! Nun, keiner hat die Straße so gut im Griff wie Freddo. Keiner. Freddo ist die Straße! Deshalb ... gibt es keinen Pakt ohne Freddo!
– Verdammt, du hast Recht! Entweder alle oder keiner!, schrie Ricotta und schlug mit der Faust auf den Tisch.
Libanese suchte die Zustimmung der anderen Gefährten. Aber Dandi flüsterte irgendetwas Unverständliches. Und Nembo Kid starrte auf den Boden, die Hände in den Taschen vergraben. Libanese spürte den Mief des Opportunismus. Was würde aus ihnen allen werden, wenn ihm etwas zustieß?
– Ohne Freddo, wiederholte er entschlossen, gibt es keinen Pakt!
– Darüber müssen wir mit Vecchio sprechen.
– Wer ist Vecchio?
– Vecchio ist Vecchio.
– Gut, dann richtet Vecchio aus: Ohne Freddo gibt es keinen Pakt.
Zeta seufzte. Im Übrigen waren die Befehle in diesem Fall zumindest relativ uneindeutig gewesen. Sie mussten Vecchio nur ein Ergebnis bringen, und das Ergebnis hatten sie; außerdem muss man bei Verhandlungen immer Kompromisse schließen.
– Mach, wie du willst, lenkte er ein, aber du bist der Gewährsmann. Libanese nickte. Er zog das Koksbriefchen aus der Tasche und warf es auf den Tisch.
– Das Geschäft ist also abgeschlossen.
Etwas später, während sie der Brigadier, der sich nicht im Geringsten um das Koks kümmerte, in die Zelle zurückbrachte, sagte Dandi zu Libanese, er hätte sich den beiden gegenüber wie ein echter Boss benommen. Libanese wollte ihm in die Augen blicken. Dandi wich ihm aus. Als Libanese einschlief, lag ein spöttisches und besorgtes Lächeln auf seinen schmalen Lippen.
II.
Patrizia mochte das Meer im Winter. Es entsprach ihrer Einsamkeit. Ihrer Langeweile. Dandi saß im Knast und der Betrieb florierte, deshalb war ihre Anwesenheit in Rom nicht notwendig. Ranocchia, dem sie doch wieder verziehen hatte, hatte ein altes Haus am Strand zwischen Terracina und Sperlonga besorgt. Es war kalt und nieselte leicht. Patrizia blätterte vor dem Kamin ein Reisemagazin durch. Ranocchia war nicht mehr derselbe wie früher. Er spritzte jetzt Morphium, um den Schmerz zu betäuben, er drückte ein halbes Gramm pro Tag. Den Vorrat bewahrte er in einem Sekretär auf, gemeinsam mit einer Perlenkette und einer Uhr, die er seinem Vater gestohlen hatte, bevor er sich für ein Leben auf der Straße entschieden hatte. Auch seine Träume waren weniger fantasievoll und bunt als früher.
– Ich befinde mich in einem pechschwarzen Raum. Ich bin Ida Lupino, ganz dünn und maskulin. Ich trage ein graues Kleid. Ich bin an die Wand gefesselt, mit großen Ringen an den Handgelenken. Am Boden steht eine volle Wasserschüssel für Hunde. Die Gangster, die mich gefangen halten, wollen wissen, wo sich Johnnie Ray versteckt. Aber ich werde es ihnen nicht sagen. Ich bin bereit zu sterben, ich werde mein Geheimnis nicht preisgeben.
– Das ist alles?
– Hab einen Augenblick Geduld, Liebling! Den Rest habe ich noch nicht geträumt.
Ranocchia war traurig geworden. Der Sonnenuntergang war traurig. Die Welt war traurig. Patrizia amüsierte sich nicht. Patrizia fühlte sich leer wie damals, als sie bloß Cinzia war und allzu ungeduldigen Kunden die Leviten lesen musste, bevor sie den BH abnahm. Ranocchia grillte Fisch.
– Was hältst du von Marokko, Ranocchia?
– Gute Idee. Selbst in dieser Jahreszeit hat es dort eine Temperatur, dass einem warm ums Herz wird ... ich kenne ein paar Jungs in Casablanca ... wir könnten gemeinsam hinfahren!
– Kommt gar nicht in Frage!
– Du könntest mit Dandi hinfahren.
– Niemals.
– Oder mit Libanese.
– Mit Libanese? Der verlässt Trastevere ja nicht mal als Toter. Er hat Angst, dass sie ihm den Stuhl unter dem Arsch wegziehen, wenn er sich wegbewegt.
– Fierolocchio?
– Der stinkt.
– Ricotta?
– Wäah!
– Nembo Kid?
– Und du erklärst es Donatella?
– Nero?
– Der ist ja so was von lustig.
– Dann mit Freddo.
– Freddo schaut mir nicht mal in die Augen.
– Weil er dich respektiert. Du bist die Frau seines Freundes, und er möchte ihm zu verstehen geben, dass er sich von dir fernhält.
– Nein, da täuschst du dich. Freddo verachtet mich. Er verachtet mich und alle anderen Mädchen.
– Mag er Männer?
– Aber nein! Er
Weitere Kostenlose Bücher