Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Romanzo criminale

Romanzo criminale

Titel: Romanzo criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
Vom Netzwerk:
leise. Der Hund ignorierte sie und verschwand in der Nacht. Patrizia ging ins Haus zurück, schmiss ihre Sachen in wildem Durcheinander in den Koffer. Ihr BMW stand unter dem Schilfdach. In eineinhalb Stunden konnte sie zu Hause sein. Sie würde sich umziehen. Sie würde tanzen gehen. Allein. Oder sie rief bei der Alitalia an und buchte den erstbesten Flug irgendwohin, wo es ihr gefiel. Sie musste niemandem Rechenschaft ablegen. Die Welt war traurig. Die Welt war widerlich.
III.
    Vecchio ist Vecchio. Gott denkt und Vecchio lenkt. Vecchio befehligte eine Informationseinheit mit unauffälligem Namen, von deren Macht nur ganz wenige Auserwählte wussten.
    Umgeben von seinen mechanischen Spielzeugen, österreichischen Originalstücken aus dem 18. Jahrhundert, Prototypen der modernen Roboter, bekämpfte Vecchio die Schlaflosigkeit: Er versuchte, die Ordnung der Welt in Chaos zu verwandeln.
    Vecchio observierte schon seit geraumer Zeit die Gruppe von Kriminellen, die sich in der Stadt allmählich einen Namen machte. Er hatte den Befehl gegeben, sich das Bordell zunutze zu machen. Schön langsam rentierte sich die Investition. Langsam begannen die Informationen zu fließen. Mao hatte Unrecht. Um die Macht aufrecht zu halten, braucht man keinen Gewehrlauf, sondern Informationen.
    Danach hatte er Zeta und Pigreco den Befehl erteilt, mithilfe der alten Methode Kontakte zu knüpfen. Die Amerikaner, die in ihrer endlosen Arroganz glaubten, die Ersten gewesen zu sein, die diese Methode anwendeten – als ob es nie einen Sun Tzu oder einen von Clausewitz gegeben hätte ... die Amerikaner nannten sie
sting operation
, „Stichoperation“. Man nehme einen Kriminellen, oder einen vermeintlichen Kriminellen, bringe ihn dazu, etwas Kriminelles zu tun, man ertappe ihn in flagranti und stelle ihn vor die brutale Alternative: Entweder arbeitest du für mich oder du bist erledigt. Es funktionierte fast immer. Und jetzt hatte er Libanese und seine Jungs in der Hand. Wozu? Um mit ihnen zu spielen, natürlich.
    Vecchio hatte Libaneses Rede über die Straße sehr gefallen. Er fühlte, dass zwischen ihm und diesem Jungen aus der Vorstadt eine Seelenverwandtschaft bestand. Es hatte mit Spiel und Unordnung zu tun. War Libanese nicht auch ein eingefleischter Spieler? Wenn auch nur ein Dilettant. Er träumte noch immer davon, dem Chaos eine Ordnung zu geben. Doch das Spiel erforderte das Gegenteil: die Ordnung in Chaos zu verwandeln. Die Ordnung der Welt zu zerstören.
    Vecchio verspürte eine tiefe Verachtung für die sogenannten Großen dieser Welt. Bankiers, Unternehmer, Politiker und gekrönte Häupter, die meinten, sie würden die Fäden in der Hand halten, waren für ihn nur ein Haufen dummer, mittelmäßiger Hasardeure. Leute, die nicht fähig waren, die Handlung in ihrer Tragweite zu verstehen. Aasgeier, die sich wegen lächerlicher Ziele zerfleischten: den Staat erobern, Regierungen stürzen, subversives Unkraut ausreißen. Früher einmal hatte auch er sich von diesen Sirenen verführen lassen. Als ihm das Ministerium die erste Auszeichnung verliehen hatte, war er vor Stolz erschauert. Und als ihn die Amerikaner als Vertrauensmann auserkoren und ihn in der exklusivsten, kosmischen Elite des 20. Jahrhunderts aufgenommen hatten, hatte er eine unendlich große Freude verspürt. Ach, die Amerikaner! Die Wächter der Freiheit! Die Wächter der Demokratie!
With God On My Side
! So einfach, so direkt und auf eine liebenswürdige, eingefleischte, naive Weise faschistisch! So stolz auf ihre WASP-Tradition und auf ihre angeborene Progenie, aber wenn man ihren Stammbaum in Augenschein nahm, tauchten Spanier, Griechen, Armenier und Türken auf ... die minderen Rassen, die verfluchten Rassen ... Vecchio hasste die Amerikaner nicht: Er bedauerte sie, wie ein Vater einen behinderten Sohn.
    Das alles war vor langer, sehr langer Zeit passiert. Jetzt wusste Vecchio Bescheid. Mao Tse-tung hatte einen Haufen Dummheiten von sich gegeben, um sein Volk zu verblöden, aber eine davon war ihm heilig: Groß ist die Unordnung unter dem Himmel, deshalb sind die Zeiten gut. Die einzige Fähigkeit eines überlegenen Hirns: die Welt spielerisch in Unordnung zu bringen, um ein immer wieder neues Chaos zu erzeugen. Hätte man seine geheimen Gedanken lesen können, hätte man mit Entsetzen herausgefunden, dass sich ausgerechnet der Mann der Ordnung am meisten von den Anarchisten beeinflussen hatte lassen: wie sein Lieblingsheld, Conrads Professor, der mit seiner geheimen

Weitere Kostenlose Bücher