Romy Schneider - die Biographie
sie weitergehen. Mit dem illusionsstörenden mechanischen Klicken einer Kamera ist alles festgehalten. Die Haare zurückgebunden unter einem Tuch, Rauchutensilien,eine Zigarette wird angezündet. Der Betrachter steht nur Zentimeter von der fünfzig Jahre zurückliegenden Szenerie entfernt. Eine junge Gestalt posiert an einem Swimmingpool am Starnberger See, neben einem Porsche. Lederle erinnert sich weniger an konkrete Sätze, wohl aber an offene Herzlichkeit und den Wiener Apfelstrudel, den die Großmutter väterlicherseits bei ihren Besuchen in Mariengrund zubereitet. Es herrscht unkomplizierte Transparenz beiderseits, es gibt keine Tiefen auszuloten. Die Intimität besteht darin, Sommersprossen auf einem jungen Gesicht auszumachen und festhalten zu dürfen. Später tauscht man Erfahrungen über Söhne aus, die im gleichen Alter sind. »Sie war nicht die Frau meines Lebens«, sagt Lederle heute ohne verklärende Entstellung der Ereignisse. »Aber sie war eine Persönlichkeit, die man nicht vergisst.« 152 Er bezeichnet sich selbst als »Seelenfreund«.
»Ich kann nicht mehr geben, als mir das Drehbuch erlaubt«
Historische Filme lassen sich ähnlich wie Science-fiction-Produkte als verklausulierte Interpretationen der Gegenwart lesen. An
Sissi
liebt das Publikum das Wirken besserer, unschuldiger Menschen, ähnlich wie ein paar Jahre danach an Harald Reinls Karl-May-Leinwaldhelden, die im Gardemaß der Selbstsicherheit in den Sonnenuntergang reiten. Analysen sind sich einig: »Sissi und Winnetou sind Verwandte […] sie belegen, daß im Nachkriegskino ein affektives Wissen über Deutschlands katastrophale Vergangenheit bestand – ein affektives Wissen, das in tröstenden Geschichten allerdings nur undeutlich artikuliert wurde.« 153 Für Österreich markiert
Sissi
im Jahr des Staatsvertrags eine ebenso kulturelle wie wirtschaftliche Komponente, und auch in der politischen Situation Deutschlands wollen Interpretatoren eine Entsprechung gefunden haben: »
Sissi
milderte (für einige Kinominuten) die materielle und politischeArmut Westdeutschlands.
Sissi
ist ein Aufsteiger-Kind – wie die Bundesrepublik Deutschland, die unter Konrad Adenauer eine Politik des Einheiratens betrieb und im selben Jahr, 1955, in die Nato aufgenommen wurde.« 154
Die deutschen Theaterbesitzer verleihen
Sissi, die junge Kaiserin
Anfang 1957 den Bambi, der damals noch von der »Filmwoche« und der«Film-Revue« vergeben wird, für den geschäftlich erfolgreichsten ausländischen Film des Jahres 1956. Es ist das zweite Mal, dass eine österreichische Produktion mit dem Bambi ausgezeichnet wird. Ein Jahr zuvor erhielt
Der Förster vom Silberwald
die begehrte Statuette, die bis 1958 noch aus weißem Porzellan geformt ist. Von den inländischen Produktionen bekommt Helmut Käutners
Der Hauptmann von Köpenick
den deutschen Filmpreis, sowohl als »künstlerisch wertvollster« als auch »geschäftlich erfolgreichster deutscher Film«. Als künstlerisch wertvollster ausländischer Film wird Fellinis
La Strada
ausgezeichnet. Zur Preisverleihung am 17. März in Karlsruhe erwartet man Ernst Marischka und Romy Schneider.
Sissi, die junge Kaiserin
setzt die Erfolgsserie ungebremst fort, »erobert die Welt für den deutschsprachigen Film. Ein beispielloser Welterfolg des österreichischen Nachkriegsfilms – Österreichische Streifen als Lokomotiven für deutsche Filme – Endlich auch künstlerische Anerkennung für publikumsnahen Spitzenfilm.« 155 Mit solchen Überschriften feiert man den internationalen Erfolg der
Sissi
-Filme, die damit längst zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden sind. Zehn Jahre lang hat der österreichische Nachkriegsfilm auf ein solches Ziel hinarbeiten müssen. Man freut sich über den internationalen Erfolg, spricht euphorisch von einem Durchbruch des deutschsprachigen Films auf dem Weltmarkt. In über 30 Ländern wird die österreichische Produktion erfolgreich gezeigt, deren Besucherzahlen sich mit erfolgreichen amerikanischen Spitzenfilmen messen können und die 1957 für die Goldene Palme von Cannes nominiert ist. 156 Sogar das österreichische Unterrichtsministerium schaltet sich in die Diskussionein. Man stellt zufrieden fest, dass der Film keine wesentlichen historischen Fehler aufweist, und schließt das Eigenlob mit ein: »Schließlich war für die Entscheidung der Kommission auch die positive Aussage des Films, der die Werte des Herzens und der Menschlichkeit als charakteristische Merkmale
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