Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)
erkundigen, mein treuer Verbündeter? Der Unhold, der Euch diese Wunde beigebracht hat, hat doch sicherlich mit seinem Leben dafür bezahlt?»
«Leider nicht, Hoheit. Es war nur ein feiger Bogenschütze, und daher ist sein Schicksal ungewiss. Doch allein mit diesem Schwert hier habe ich drei Gegner ins Jenseits befördert. Der letzte von ihnen verdiente kaum, als Mann bezeichnet zu werden. Habt Ihr je ein Schwein schreien hören, wenn es geschlachtet wird, Hoheit? So ein Geschrei hat dieser Mann gemacht.»
«Ich hatte bedauerlicherweise noch nicht das Vergnügen, Hoheit. Ach, würde doch nur allen unseren Feinden ein solches Schicksal zuteil – erwürgt mit ihren eigenen Gedärmen, ersäuft in ihrem eigenen Blut.»
«Man könnte froh sein, wenn es so käme, Hoheit. Aber was sollten wir dann anfangen? Wir sind Samurai. Es ist unsere Bestimmung, unsere Gegner zu töten. Der Frieden ist nur ein Atemholen, bevor wir uns wieder in den wogenden Ozean stürzen, der da heißt: Krieg.»
«Wohl wahr, Hoheit. Wohl wahr!», pflichtete Nakata bei und hob höflich sein Sake-Schälchen. Shinmen erwiderte die Geste.
Munisai sah, was er befürchtet hatte: Sein Herr zeigte wieder einmal sein neues Gesicht. Verschwunden war der selbstbewusste, vertrauenswürdige Mann vom heutigen Schlachtfeld, der Mann, dem er die vergangenen fünf Jahre gefolgt war. Stattdessen saß dort der neue Fürst Shinmen, der in den letzten Monaten mehr und mehr zum Vorschein gekommen war, je näher er Nakata und dessen Versprechen, ihn reich zu belohnen, gekommen war.
Ehrgeiz, sagte man, sei eine Tugend. Einst hatte das auf Shinmen durchaus zugetroffen, als sein Ehrgeiz noch darauf zielte, sich und seine Männer im ehrlichen Kampf auf dem Schlachtfeld zu beweisen, wie es sich für Samurai geziemte. Inzwischen jedoch hatte der Ehrgeiz ihn innerlich zerfressen und zog ihn stattdessen zu Schreinen des Wohlstands hin, wie jenem, in dem er nun saß. Munisai konnte es kaum ertragen, wie sein Herr sich aufführte.
Doch keiner der Anwesenden würde dem Einhalt gebieten, denn es waren fürstliche Münder, die da sprachen, und daher galten die Äußerungen als tiefsinnig und nicht als das, was sie tatsächlich waren: lächerlich. Munisai setzte eine undurchdringliche Miene auf und schob, als wäre er gerade erst eingetroffen, den Vorhang beiseite, wobei er seine Rüstung rasseln ließ. Er trat vor das Podium, sank vor Shinmen auf die Knie, berührte mit der Stirn den Boden, verharrte einen Moment lang in dieser Stellung und richtete sich wieder auf.
«Hoheit, verzeiht meine Verspätung. Es ist noch sehr viel zu erledigen», sagte er.
«Brände zu löschen beispielsweise?», giftete Hayato, der plötzlich aus seiner Trance erwachte und Munisai ansah.
«Hoheit?», erwiderte Munisai, erstaunt, dass der junge Fürst ihn ansprach. Er sah zu Shinmen hinüber, doch dann ergriff Fürst Nakata das Wort.
«Verzeiht meinem Sohn, Munisai Shinmen. Er ist noch jung und weiß manchmal nicht, wie Männer sich betragen sollten», sagte er und wandte sich dem jungen Fürsten zu, der wieder mit mürrischer Miene Räucherstäbchen entflammte. «Sieh dir diesen Mann an, Hayato. Er hat den Titel des Landesbesten errungen. Verstehst du denn nicht, was das bedeutet?»
«Ihr schmeichelt mir, ehrwürdiger Fürst Nakata», bedankte sich Munisai und verneigte sich. «Dieser Titel bezieht sich lediglich auf die Fechtkunst und sonst auf nichts. Es gibt in unserem Land weit bessere Männer als mich. Doch wenn etwas geschehen sein sollte, dass Euch oder Eurem Erben unbefriedigend erscheint, wäre es schändlich, es nicht anzusprechen, auf dass man Abhilfe schaffe.»
«Ihr habt wahrlich ein höchst ansehnliches Tagewerk vollbracht, Munisai», lobte Shinmen. «Wir leben nun in einer Welt, in der es einen Feind weniger gibt. Dennoch … bleibt da die Frage der Burg.»
«Hoheit?»
«Die Burg des verstorbenen Fürsten Kanno», erklärte Nakata. «Fürst Shinmen hat hochherzig versprochen, sie unserem Clan als Zeichen unserer fortwährenden Allianz zum Geschenk zu machen.»
«Die Ruine
meiner
Burg, die dort draußen immer noch in Flammen steht», knurrte Hayato und starrte Munisai wie ein wütendes Kind an.
Munisai hörte zum ersten Mal von irgendwelchen Plänen, die Burg zum Geschenk zu machen, verneigte sich aber erneut vor den Fürsten und antwortete: «Was mit der Burg geschehen ist, dauert mich über alle Maßen, Hoheiten. Doch angesichts der Umstände war es ein durchaus notwendiges
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