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Ronja Räubertochter

Ronja Räubertochter

Titel: Ronja Räubertochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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mehr?« fragte Ronja. Klein-Klipp sah sie erstaunt an.
    »Wer? Der Vogt?«
    »Ich rede von Mattis«, sagte Ronja. Und Klein-Klipp beteuerte, seit jenem Morgen, als Ronja vor Mattis' Augen über den Höllenschlund gesprungen sei, habe ihn keiner mehr lachen hören. Klein-Klipp mußte aufbrechen, bevor es zu dunkel wurde. Er mußte nach Hause, und ihm graute schon jetzt davor, was er Lovis sagen mußte. Deshalb versuchte er es noch einmal.
    »Ronja, komm nach Hause. Tu's doch. Komm zurück. So hör doch!«
    Ronja schüttelte den Kopf, dann sagte sie:
    »Grüße Lovis und danke ihr tausendmal für das Brot!«
    Klein-Klipp steckte hastig die Hand in den Lederbeutel.
    »Meine Güte, ich hab ja noch einen Beutel Salz für dich! Hätt ich den vergessen, wär das nicht glimpflich für mich ausgegangen!«
    Ronja nahm das Säckchen.
    »Ich habe eine Mutter, die an alles denkt! Sie weiß, was man zum Leben braucht. Aber woher konnte sie wissen, daß wir nur noch ein paar Körnchen Salz haben?«
    »So was spürt eine Mutter wohl«, meinte Klein-Klipp.
    »Wenn es ihrem Kind am Nötigsten fehlt.«
    »Nur eine Mutter wie Lovis«, sagte Ronja. Sie stand lange da und sah hinter Klein-Klipp her, nachdem er sie verlassen hatte. Sah ihn leichtfüßig den schmalen Pfad am Steilhang hinuntertrippeln, und erst als er verschwunden war, ging sie in die Grotte. 
    »Schau an, du bist also nicht mitgegangen, zurück zu deinem Vater«, sagte Birk. Er lag schon auf seinem Reisiglager. Ronja konnte ihn in der Dunkelheit nicht sehen, aber sie hörte die Worte, und das genügte, um sie zu verärgern.
    »Ich habe keinen Vater mehr«, sagte sie.
    »Aber wenn du dich nicht in acht nimmst, dann kann ich auch ohne Bruder sein!«
    Verzeih, meine Schwester, wenn ich ungerecht bin«, sagte Birk, »aber ich weiß ja, woran du manchmal denkst.«
    »Ja«, antwortete Ronja aus der Dunkelheit.
    »Ich denke daran, daß ich elf Winter gelebt habe, daß aber der zwölfte mein Tod sein wird. Dabei möchte ich so gern noch am Leben bleiben, falls du das begreifen kannst!«
    »Vergiß deine Winter«, sagte Birk.
    »Jetzt ist Sommer!«
    Und Sommer war es. Mit jedem Tag wurde es mehr und mehr Sommer, klarer, wärmer als irgendeiner, an den sie sich erinnern konnten. Jeden Tag in der Mittagshitze badeten sie in dem kalten Flußwasser. Sie schwammen und tauchten wie zwei Fischotter und ließen sich von der Strömung tragen, bis das Getöse des Glupafalles so laut wurde, daß es ihnen zu gefährlich erschien. Im Glupafall warf der Fluß seine Wassermassen eine gewaltige Steilwand hinab, und so eine Fahrt überstand keiner bei lebendigem Leibe. Aber Ronja und Birk wußten genau, wann Gefahr drohte.
    »Sobald ich auch nur den kleinsten Schimmer vom Glupaklumpen sehe«, sagte Ronja, »dann weiß ich, daß es lebensgefährlich wird.«
    Der Glupaklumpen war eine große Klippe mitten im Fluß, ein Stück vom Wasserfall entfernt. Für Ronja und Birk war er das Warnzeichen. Jetzt mußten sie ans Ufer, und das war schwer und mühsam. Keuchend und blaugefroren lagen sie dann auf einem Felsen, wärmten sich in der Sonne und sahen neugierig den Fischottern zu, wie sie unermüdlich dicht am Ufer schwammen und tauchten. Als es gegen Abend kühler wurde, gingen sie in den Wald zum Reiten. Racker und Wildfang hatten sich eine Zeitlang nicht blicken lassen. Die Drude hatte sie so erschreckt daß sie nun auch vor denen Angst hatten, die auf ihrem Rücken gesessen hatten während sie gejagt wurden. Ziemlich lange waren sie scheu geblieben. Aber nun hatten sie das alles wohl vergessen, jetzt kamen sie angetrabt und wollten gern wieder um die Wette rennen. Ronja und Birk ließen sie sich austoben und ritten dann gemächlich und lange in ihrem Wald herum.
    »An solchen lauen Sommerabenden ist Reiten schön«, sagte Ronja. Und sie dachte: Warum kann es im Wald nicht immer Sommer sein? Und warum kann ich nicht immer froh sein? Sie liebte doch ihren Wald mit allem, was es darin gab. Alle Bäume, alle kleinen Seen und Weiher und Bäche, an denen sie vorüberritten, alle bemoosten Hügel, alle Stellen, wo Walderdbeeren und Blaubeeren wuchsen, alle Blumen, alle Tiere und Vögel. Warum war ihr nur manchmal so traurig zumute, und warum mußte es einmal Winter werden?
    »Woran denkst du, meine Schwester?« fragte Birk.
    »Ich denke daran, daß unter diesem Riesenstein Dunkeltrolle wohnen«, sagte Ronja.
    »Ich hab sie im Frühjahr hier tanzen sehen. Und Dunkeltrolle und Rumpelwichte mag ich gern,

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