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Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Titel: Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Mous
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Zimmern, sondern in nachgebauten Indianerzelten übernachten können.
    »Du glaubst doch wohl nicht, dass wir hier übernachten?«, sagte Val mit einer Schau-dich-doch-mal-um-Geste.
    Als hätte ich das nicht längst getan.
    Aber gut, wenigstens keine Übernachtung bei jemandem zu Hause, was mich aufheiterte. Es war schon schlimm genug, dass ich unser Badezimmer am Wochenende regelmäßig mit dem Saugnapf teilen musste. Neulich hatte ich ein braunes Haar gefunden, das auf dem Badewannenrand kleben geblieben war. Der Saugnapf hat einen kahlen Schädel, es war also nicht schwer zu erraten, woher dieses Haar stammte. Ich hätte am liebsten gleich eine Putzkolonne bestellt. »Okay«, sagte ich. »Aber was machen wir dann hier?«
    Stefano schlug an die Unterseite seines Rucksacks. »Ein Päckchen abliefern.«
    Wie ineffizient kann man sein? Ich meine, nach der Zugfahrt hatten wir auch noch eine halbe Stunde im Bus gesessen.
    »Warum hast du es nicht einfach geschickt?«, fragte ich. »Oder zur Not per Kurier? Genauso einfach.«
    »Weil er nicht noch einmal betrogen werden will«, sagte Val. »Neulich hat er über Internet einen iPod verkauft. Der Käufer sollte das Geld nach Empfang sofort überweisen, aber Stefano hat nie einen Cent gesehen.«
    »Das passiert mir kein zweites Mal.« An seiner Stimme war zu hören, dass er ziemlich außer Atem war. »Erst die Kohle, dann die Ware.«
    Val brummte zustimmend. »Haben wir gleich wieder ein bisschen Urlaubsgeld.«
    »Wie lange wollt ihr eigentlich herumreisen?«, fragte ich.
    »Mindestens drei oder vier Wochen«, sagte Val. »Aber am liebsten noch etwas länger. Es ist herrlich, eine Zeit lang keine Nörgelei meiner Mutter zu hören. Und du?«
    »Geplant waren drei Wochen.« Ich verspürte ein riesiges Bedürfnis, Val zu berühren. »Aber vielleicht kann ich mein Ticket umbuchen und etwas länger bleiben.«
    Sie lächelte. »Cool.«
    Nummer 43 war ein Haus mit geschlossenen Läden. Wir waren fast da.
    Val sah zu ihrem Bruder, der mit jeder Sekunde langsamer wurde. »Geht es denn?«
    »Ja, klar. Nur die Hitze setzt mir ein bisschen zu.« Er blieb kurz stehen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Es geht also nicht«, stellte Val fest. Sie nickte zu einer Bank auf dem Bürgersteig hinüber. Hinter der Lehne war ein Motorroller abgestellt. »Wir setzen uns einen Moment.«
    Während Stefano an ihrem Arm mitstolperte, hörte ich den Klingelton meines Handys.
    Ich sah auf das Display: ESTHER.
    »Hi, Mam.«
    »Hallo, mein Schatz, alles in Ordnung?«
    »Ja, klar. Super. Wir sind jetzt in Torla.« Meine Stimme war nicht ganz so fest wie normalerweise – lügen ist nicht gerade meine stärkste Seite. »Morgen starten wir unsere Wanderung und dann kann ich dich nicht mehr anrufen. Martijn sagt, in den Bergen haben wir keinen Empfang.«
    »Passt du auch gut auf und läufst nicht zu dicht am Abgrund?«, fragte meine Mutter besorgt.
    »Jaha.« Ich sah zu Val, die Stefanos Rücken streichelte. Seit ich wusste, dass er ihr Bruder war, hatte ich zwar keinen Grund mehr, eifersüchtig zu sein, aber die Stelle, an der all meine Gefühlsnerven zusammenkamen, pfiff darauf.
    »Ich werde dich vermissen.«
    »Es ist doch nur ein Monat«, sagte ich. »Viel Spaß in Amerika.«
    »Und dir viel Spaß in den Pyrenäen. Sag Martijn, er soll gut auf dich aufpassen.«
    Gleich wollte sie ihn bestimmt auch noch sprechen!
    »Ich richte es ihm aus, Mam. Und jetzt lege ich auf.«
    »Okay. Tschüss, Schatz!«
    Ich fühlte mich ein bisschen leer, als ich mein Telefon wegsteckte. Meine Mutter war schon schwer in Ordnung für eine Mutter und es gefiel mir gar nicht, dass ich sie angelogen hatte. Ich versuchte, mir einzureden, ich hätte keine andere Wahl gehabt. Ohne Martijn würde sie mich echt nicht ganz allein durch Spanien reisen lassen und dann hätte ich Val nicht getroffen. Allein der Gedanke war schon unerträglich.
    Sie saß immer noch neben Stefano auf der kleinen Bank und hatte ihm den Rucksack abgeschnallt. Er hielt den Kopf zwischen den Knien, woraus ich schloss, dass ihm übel war.
    »Soll ich einen Arzt holen?«, fragte ich.
    »Ach was«, sagte Val. »Das ist bestimmt die Hitze. Wenn er eine Weile so sitzen bleibt, geht es von selbst vorüber.« Mit dem Fuß stupste sie seinen Rucksack an. »Du könntest aber etwas anderes für mich tun…«
    Wie sie mich anschaute! Ich wollte sofort all ihre Wünsche erfüllen. »Was denn?«
    »Das Paket abgeben.«
    Ein Paket abgeben war Peanuts.
    »Klar.

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