Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
geradewegs einem mexikanischen Western entsprungen sein könnte. Er öffnet meine Zelle, stellt ein Tablett mit Essen ab und verzieht sich wieder mit einem mürrischen Nicken.
Ich packe das Tablett auf mein Bett und lüfte den Deckel der Schale. Eine Scheibe Fisch, die aussieht wie Lachs, aber nach nichts riecht, eine Pastete, mit der man jemanden totwerfen kann, und fünf graue Erbsen mit drei Karotten. Links von der Schale liegt eine Flasche Mineralwasser und auf der Schale steht ein verpackter Pudding – laut Farbe mit Karamellgeschmack. Mein Besteck besteht aus einem echten Löffel und einer Plastikgabel, die schon bricht, bevor ich auch nur in die Nähe meiner Mahlzeit komme. Haben sie vielleicht Angst, ich könnte jemanden erstechen?
Ich esse widerwillig. Alles ist lauwarm und fade. Martijn hätte wahrscheinlich das gesamte Tablett aus Protest an die Wand geschmissen, aber mein Magen ist ein knurrender Tiger, der gefüttert werden will. Also spüle ich jeden Bissen meines Abendessens mit Wasser hinunter. Nur der Karamellpudding ist einigermaßen essbar.
Zehn Minuten später holt der schweigsame Mexikaner das Tablett wieder ab und bringt mir eine Decke und ein Kissen. Ich frage, ob das Licht anbleiben darf, aber ich bin mir nicht sicher, ob er mich versteht. Er schaut zur Lampe, auf die ich gezeigt habe, zuckt kurz die Schultern, verschließt die Zelle und geht davon.
Ich habe große Lust, zur Abwechslung mal wieder eine Runde zu heulen.
Es fühlt sich an, als würde ich auf einem Betonboden liegen. Ich habe mich tief unter der Decke verkrochen und versuche, nicht an die Kakerlaken zu denken, die vielleicht über mein Kissen krabbeln. Ich kann nicht überprüfen, ob es stimmt. Der Mexikaner löscht nach ein paar Stunden doch noch das Licht. Oder die Lampe in der Zelle reagiert auf eine Zeitschaltuhr.
Wo Val die Nacht wohl verbringt? Ob sie immer noch im Hotel Marvi ist? Vielleicht ist Stefano ja bei ihr und sie haben heute Abend zusammen gegessen, als wäre nichts passiert. Allein die Vorstellung macht mich fast verrückt vor Eifersucht.
Ich denke an unser erstes Essen in jenem teuren Restaurant in Córbador. Im Nachhinein hätte ich mir über den Fleck auf meinem Jackett keine Sorgen zu machen brauchen. Val bekam ihn mit irgendeinem Wundermittel raus, sodass ich den Anzug doch noch zurückbringen konnte. Und ich hatte mich wegen nichts so aufgeregt! Schließlich war es von Anfang bis Ende geradezu ein Glücksabend gewesen. Wir hatten köstlich gegessen, aber wegen des Glasstückchens in Vals Kastanienpüree nichts bezahlen müssen. Auf dem Weg zurück ins Hostel waren wir total ausgelassen. Vor allem Stefano und Val lachten die ganze Zeit um nichts – fast wie Martijn und seine Freunde, wenn sie einen Joint geraucht haben.
Oder sie lachten heimlich über dich, höhnt wieder das Stimmchen in meinem Kopf. Weil sie dir alles Mögliche weismachen konnten. Sofort habe ich wieder schlechte Laune. Ich will, dass Val so verrückt nach mir ist wie ich nach ihr und dass wir uns die ganze Zeit auf dem Liegestuhl am Pool küssen oder – noch besser – in einem Hotelzimmer bei verschlossener Tür.
Meine Zimmertür war auch verschlossen gewesen. Und doch war es jemandem gelungen, hineinzugehen, mein Handy zu nehmen und Val diese SMS zu schicken.
Jemand vom Personal vielleicht? Alle Zimmermädchen haben einen Generalschlüssel, damit sie während der Abwesenheit der Gäste die Zimmer reinigen können.
Oder war es ein Hotelgast? Am Zimmerschlüssel hing eine schwere Kupferkugel, die dafür sorgen sollte, dass man ihn nicht so schnell verlor. Ich wollte ihn aber immer fix loswerden, denn das Ding wog mindestens ein Kilo, also gab ich ihn immer an der Rezeption ab, sogar wenn ich nur an den Hotelpool ging. Manchmal lag er dann noch eine Weile auf dem Tresen, bis das Mädchen von der Rezeption kam und ihn an das große Brett mit den dazugehörigen Zimmernummern hinter dem Empfang hängte. Der unbekannte Simser hätte meinen Schlüssel leicht mitnehmen können. Einfach vom Tresen und sogar vom Brett; das Mädchen von der Rezeption war regelmäßig kurz weg.
Nur… warum sollte sich jemand vom Personal oder ein unbekannter Hotelgast nun ausgerechnet mein Handy aussuchen, um eine Nachricht zu verschicken? Und dann noch ausgerechnet an Val. In meinem Telefonbuch sind viel mehr Nummern gespeichert. Der Täter hätte auch eine SMS an Esther, Martijn, Menno oder Tom schicken können. Aber nein, er hat das gesamte
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