Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
tief der See in der Mitte war, aber wo ich stand, reichte das Wasser kaum bis an meine Badehose. Verzweifelt sah ich mich nach Stefano um. Der Idiot hatte nichts gemerkt und telefonierte immer noch. Ich hasste Job und Alicia Keyes.
»Val!« Meine Stimme gellte über das Wasser.
Keine Antwort.
»Val!« Ich schwamm zu der Stelle, von der sie gesprungen war. »Val!« Ich schluckte Wasser. Hustend und prustend schwamm ich um den Felsen herum.
Und da sah ich sie treiben. Ihre Arme und Beine wiegten sanft hin und her, wie Seetang oder so. Ihre Augen waren geschlossen. Mein Herz setzte aus und ich war wie gelähmt. Ich weiß nicht, wie, aber irgendwie kam ich doch zu ihr hin.
»Val?« Ich legte meine Hände um ihren Kopf und zog sie vorsichtig zu mir. Mit dem Zeigefinger strich ich ihr eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. »Val, du lieber Dummkopf«, sagte ich. Wenn ich mir Sorgen mache, sage ich schon mal so süßliche Sachen.
Meine Füße suchten den Grund. Ich konnte nicht stehen! Es war viel zu tief.
»Wer ist hier dumm?«, fragte eine Stimme neben mir.
Val! Sie konnte sich auf einmal wieder bewegen und lauthals lachen.
»Du!« Ich musste an mich halten, um sie nicht mindestens zehn Minuten unter Wasser zu drücken. »Blöde Kuh.« Ich drehte mich um und schwamm aufs Ufer zu.
»Entschuldige!«, rief sie mir nach. »Ich dachte, du verstehst Spaß.«
Ich tat, als würde ich sie nicht hören, und kämpfte mich über die scharfen und glitschigen Kiesel aus dem See. Dort raffte ich mein Handtuch auf und setzte mich neben Stefano. Mann, was war ich sauer.
»Du hast vielleicht eine Schwester…«, schimpfte ich.
»Mach dir nichts draus«, sagte er. »Sonst freut sie sich noch mehr. Val ist eben versessen auf Spielchen.«
»Spielchen? Sie hat mich zu Tode erschreckt!«
Er grinste. »Am besten gewöhnst du dich gleich dran.«
Job klingelte wieder.
»Geschäfte«, sagte Stefano entschuldigend. »Wir haben schon zehn Karten verkauft.«
»Warum machst du das nicht über dein normales Handy?«, fragte ich. »Mit dem alten Ding machst du dich doch lächerlich.«
»Außerhalb der Bürozeit gehe ich nicht mehr dran.« Er warf Job hoch und fing ihn wieder auf. »Ich mache nicht gern Überstunden.« Dann drückte er die große Taste in der Mitte und klemmte sich Job zwischen Schulter und Ohr. »Hola…«
19
Zeit: heute
Ort: Polizeiwache Francaz – Spanien
Es ist Morgen und ich lebe noch.
Ich strecke meinen Arm aus und angle meine Wanderschuhe an den Schnürsenkeln hoch. Bevor ich sie anziehe, kontrolliere ich, ob sie in der Nacht nicht von Kakerlaken besetzt worden sind. Offensichtlich nicht.
In der Ferne klingelt ein Telefon. Ob Perez schon im Büro ist?
Leider ist er schon da. Ich erkenne ihn schon an den Schritten, bevor ich ihn sehe. Aber es ist nicht Inspektor Perez, sondern der Mexikaner, der mir das Frühstück bringt.
»Wie spät ist es?« Ich zeige auf mein Handgelenk.
Er zeigt mir seine Uhr. Halb sieben. So früh bin ich noch nie freiwillig aufgestanden.
»Perez?«, frage ich. »Ich muss ihn dringend sprechen.«
»Dentro de poco.«
Meint er, dass Perez gleich kommen wird, oder hat er mir nur guten Appetit gewünscht? Ich habe keine Ahnung.
Der Mexikaner stellt das Tablett ab, streicht sich kurz über den Schnurrbart und geht wieder.
Um einen Angriff von der Kakerlakenfront zu verhindern, stelle ich das Frühstück auf mein Bett. Ein Brocken Brot, etwas Marmelade und ein Becher Kaffee, der so stark ist, dass man damit einen Elefanten aus dem Koma erwecken könnte. Ich mag keinen Kaffee, sogar dünnen finde ich schon eklig. Zum Glück liegt auch wieder eine Flasche Wasser auf dem Tablett.
Ich esse im Stehen. Ich habe zu viel Unruhe in den Beinen, um sitzen zu können. Mein Magen ist übrigens schon genauso unruhig, ich bekomme das Brot kaum runter. Wo bleibt Perez denn jetzt? Ich will ihm erzählen, was ich entdeckt habe. Jetzt sofort.
Zehn Minuten später ist das Tablett leer und Perez glänzt noch immer durch Abwesenheit. Ich rüttle an den Gitterstäben und rufe seinen Namen. Keine Reaktion.
Ungeduldig fange ich an, hin und her zu laufen. Das hilft beim Nachdenken. Der Name des Restaurants fällt mir auf einmal wieder ein. Mélia, das war es. Ich wiederhole es ein paarmal, damit ich es nicht wieder vergesse.
Da ist der Mexikaner wieder. Er holt das Tablett, die Decke und das Kissen und bringt mich zu einem Waschraum, in dem ich mich ein bisschen frisch machen kann.
»Perez?«, frage
Weitere Kostenlose Bücher