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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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ihre Auffassung in den von ihr mitbegründeten oder beeinflußten Parteien durchzusetzen,
     ihre Prognosen über die Untauglichkeit des Leninschen Parteityps für den Aufbau des Sozialismus haben sich folgenschwer bewahrheitet.
    Kurzzeitig lebte die Erinnerung an die Polemik von 1904 auf, als Lenin am 24. Juli 1905 aus Genf an das Sekretariat des Internationalen
     Sozialistischen Büros schrieb: »Da das Internationale Büro es für möglich hält, seine Informationen aus ›einigen deutschen
     Zeitungen‹ zu schöpfen, bin ich gezwungen, zu erklären, daß fast alle deutschen sozialistischen Zeitungen, besonders aber
     ›Die Neue Zeit‹ und die ›Leipziger Volkszeitung‹, ganz auf der Seite der »Minderheit« stehen und unsere Angelegenheiten sehr
     einseitig und unrichtig beleuchten. Kautsky z. B. bezeichnet sich ebenfalls als unparteiisch, ist aber in Wirklichkeit so
     weit gegangen, sich zu weigern, in der ›Neuen Zeit‹ die Widerlegung eines Artikels von Rosa Luxemburg, in dem sie die Desorganisation
     der Partei verteidigte, zu bringen. In der ›Leipziger Volkszeitung‹ hat Kautsky sogar geraten, die Broschüre mit der deutschen
     Übersetzung der Resolutionen des III. Parteitages nicht zu verbreiten!! Nach alledem ist nicht schwer zu verstehen, warum
     viele Genossen in Rußland geneigt sind, die deutsche Sozialdemokratie, was die Spaltung in den Reihen der russischen Sozialdemokratie
     betrifft, als parteiisch und äußerst voreingenommen zu betrachten.« 166
    Wenige Tage später bezeichnete Rosa Luxemburg dieses Schreiben als »Quasselei von Uljanow«. »Ich halte es für nötig«, schrieb
     sie an Karl Kautsky, »daß Du einige Worte der Berichtigung an Huysmans richtest zur Mitteilung an das Büro; gelegentlich kannst
     Du erwähnen, daß mein Artikel nicht pour la désorganisation war, übrigens ist das nicht wichtig.« 167

Nichts ist revolutionärer, als zu erkennen
und auszusprechen, was ist
    Vom 8. Juli bis etwa 10. August 1904 machte Rosa Luxemburg Ferien in Hessenwinkel bei Berlin, in der Mark Brandenburg, des
     »seligen Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation |205| große Sandbüchse«, wie sie spöttelte. 168 Sie schwärmte gegenüber Luise Kautsky aber auch von der Gegend:. »[…] im Ernst ist es hier wundervoll: Wald – stundenlang,
     Seen – wo man hinspuckt (Pardon, es war nicht so gemeint) – und idyllische Ruhe. Die Vorzüge dieser Umgebung sind mir auch
     schon allmählich in die Seele gedrungen. Im Anfang nämlich war ich noch so geistig abgespannt, daß zwischen meinen Sinnen
     und dem blühenden ›Objekt‹ immer wieder ein unsichtbares Papier vom Himmel bis zur Erde herabhing und ich die Schönheiten,
     die mir vor dem Auge und dem Ohr schwebten, nicht empfand, sondern mit dem Gleichmut des Baedekers notierte.« 169 Stundenlange Streifzüge durch Wald und Flur, die Zuneigung eines ortsansässigen Hundes, Lump genannt, und die Begegnung mit
     Hasen, Rehen, Eichhörnchen auf Schritt und Tritt, wie man sie in keinem Zoo sehen könne, stimmten Rosa Luxemburg heiter. »Ich
     erwarte nächstens noch einige Leoparden, Nashörner und Auerochsen«, witzelte sie, »meilenweit entfernt von jedem Schatten
     eines Klassenbewußtseins.« 170 Umso störender fand sie es, wenn ein wichtigtuender Genosse aus »Berlin O« mit einer »Masse klassenbewußter Neuigkeiten«
     ihren Weg kreuzte, der am Schluß doch noch einen frischen Witz übrighatte, nämlich, daß das »Montagsblatt« ab Ferienbeginn
     »Öde am Montag« hieße. 171
    Ereignisse wie den Königsberger Prozeß, in dem mehrere Sozialdemokraten vor Gericht standen, weil sie geholfen hatten, revolutionäre
     Literatur nach Rußland zu schmuggeln, und von Rechtsanwälten wie Hugo Haase und Karl Liebknecht mit Bravour verteidigt wurden,
     registrierte Rosa Luxemburg auch während des Urlaubs mit Interesse. Der Freispruch für die Hauptangeklagten bereitete ihr
     große Genugtuung. Aber das Entspannen und Alleinsein – höchstens zum Mittagessen traf sie auf Adolf Warski oder andere polnische
     Freunde – hatte Priorität, denn sie wollte zur Tagung des Internationalen Sozialistischen Büros am 13. August und zum Internationalen
     Sozialistenkongreß vom 14. bis 20. August 1904 in Amsterdam gut erholt sein und aussehen.
    Am 31. Juli und 1. August fuhr Rosa Luxemburg von Hessenwinkel aus zunächst zu Vorträgen über die politischen Verhältnisse
     in Deutschland und Europa nach Posen und Bromberg. |206| Drei weitere

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