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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Einführung der politischen Freiheit im zaristischen Staat, der Republik und der parlamentarischen Ordnung,
     die bei der Herrschaft des Kapitals und der Lohnarbeit nichts anderes [ist] als eine fortschrittliche Form des bürgerlichen
     Staates, als eine Form der Klassenherrschaft der Bourgeoisie über das Proletariat.
    Aber in Rußland und Polen wird diese bürgerliche Revolution nicht von der Bourgeoisie gemacht, wie einst in Deutschland und
     Frankreich, sondern von der Arbeiterklasse, und das von einer Arbeiterklasse, die sich ihrer Arbeiterinteressen schon in hohem
     Maße bewußt ist, einer Arbeiterklasse, die die politischen Freiheiten nicht für die Bourgeoisie erobert, sondern im Gegenteil
     mit dem Ziel, sich selbst den Klassenkampf gegen die Bourgeoisie zu erleichtern, mit dem Ziel, den Sieg des Sozialismus zu
     beschleunigen. Darum ist die gegenwärtige Revolution |221| gleichzeitig eine Arbeiterrevolution. Deshalb muß in dieser Revolution der Kampf gegen den Absolutismus Hand in Hand mit dem
     Kampf gegen das Kapital, gegen die Ausbeutung gehen. Und infolgedessen sind die ökonomischen Streiks in dieser Revolution
     von vornherein von dem politischen Streik nicht zu trennen.« 14
    Auch für Karl Kautsky war das Proletariat Hegemon der russischen Revolution, die er als »einen ganz eigenartigen Prozeß« charakterisierte,
     »der sich an der Grenzscheide zwischen bürgerlicher und sozialistischer Gesellschaft vollzieht, die Auflösung der einen fördert,
     die Bildung der anderen vorbereitet und auf jeden Fall die ganze Menschheit der kapitalistischen Zivilisation um ein gewaltiges
     Stück in ihrem Entwicklungsgang vorwärtsbringt.« 15 Die über das Schicksal der Revolution entscheidende Agrarfrage könne nur unter demokratischen Verhältnissen gelöst werden.
     Ebenso kennzeichnete Lenin als Eigentümlichkeit der Revolution in Rußland, »daß sie nach ihrem sozialen Inhalte eine bürgerlich-demokratische,
     nach ihren Kampfesmitteln aber eine proletarische war« 16 .
    Unter dem Eindruck der Erhebung von 70   000 Arbeitern in Łódź vom 20. bis 25. Juni, die nach 48stündigem Barrikadenkampf in einem weiteren entsetzlichen Blutbad endete, 17 sowie des Matrosenaufstandes auf dem Panzerkreuzer »Potemkin« in Odessa im Juni begründete Rosa Luxemburg ihre Meinung über
     den Charakter und die Triebkräfte der Revolution näher. Sie charakterisierte in ihren in polnischen Zeitungen und Broschüren
     veröffentlichten Artikeln die Massen als selbständig handelnde und denkende Menschen, die durch nichts ersetzbar seien. Im
     Bewußtsein der Massen und in der Massenbewegung sah sie die entscheidende Voraussetzung und Kraft für eine authentische Revolution.
     Mit dieser Feststellung wandte sie sich gegen eine Tendenz in der Partei der Bolschewiki und in der PPS, Aktionen vereinzelter
     Gruppierungen als solche der Massen auszugeben, auf Revolutionsmacherei und Verschwörertaktik zu setzen. Sie distanzierte
     sich zugleich von der in westeuropäischen Parteien, besonders in der deutschen Sozialdemokratie bevorzugten Orientierung auf
     Parlamentswahlen, parlamentarische Tätigkeit und politische Aufklärung. 18 Damit stellte sie sich in direkten Gegensatz zu |222| opportunistischen Kreisen, die im Unglauben an die Fähigkeiten der Arbeiterklasse »bürgerliche Elemente und bürgerlichrevolutionäre
     Ideen« als Triebkraft der Revolution in Rußland und den »Zukunftsstaat der Bourgeoisie« als deren Ziel bezeichneten. 19
    Zeitweilig stürmte auf Rosa Luxemburg so viel Arbeit ein, daß sie Leo Jogiches um etwas Entlastung bat. Zugleich fühlte sie
     sich wie »in einem Zauberkreis« 20 und wollte sich weiter engagieren. Nach dem Abklingen der ersten Phase der Revolution mußte sie im Sommer 1905 eine Erholungspause
     einlegen. Leo Jogiches war sehr besorgt. Sie verheimlichte ihm kaum etwas über ihr Befinden, suchte ihn aber immer wieder
     zu beruhigen. So erklärte sie in einem Brief vom 27. Juni 1905 aus Berlin: »Ich habe Dir einige Tage nicht geschrieben, denn
     ich habe mich mit der Arbeit herumgequält, ich befinde mich gerade in einem Zustand des Übergangs zur Unfähigkeit zu schreiben
     (aus einfachen physischen Gründen) und habe auch den Leitartikel für ›Z pola walki‹ mit Mühe aus mir herausgequetscht, und
     außerdem haben wir hier eine afrikanische Hitze […].
    Was meine Ferien angeht, so genieße ich sie auf eine so herrliche Weise, wie ich es besser nicht haben kann. Ich stehe

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