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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Diskussion gegen die Bebelsche Resolution direkt auftreten, wäre
     unsererseits ein taktischer Fehler gewesen. Es galt vielmehr, solidarisch mit Bebel der Resolution durch die Diskussion eine
     revolutionäre Färbung zu geben, und dies ist sicherlich gelungen, wenn auch der Zeitungsbericht nur einen schwachen Begriff
     davon gibt. Tatsächlich ist der Massenstreik in der Diskussion, und auch von Bebel, vielleicht ohne daß er’s recht selbst
     wußte, als eine Form des revolutionären Massenkampfes behandelt worden, und das Gespenst der Revolution beherrschte deutlich
     die ganze Debatte und den Parteitag.« 31 Sie möge bitte auch bedenken, daß Parteitagsresolutionen nie den Zweck haben, eine Frage theoretisch erschöpfend zu klären,
     sie hätten politische Losungen in das Parteileben zu werfen.
    Am 25. September reiste Rosa Luxemburg bereits wieder nach Essen. Sie folgte einer Bitte des Parteivorstandes und schaltete
     sich in die Agitation zur Stichwahl für einen Nachfolgekandidaten des Reichstages ein. In drei Tagen trat sie in sechs Versammlungen
     auf – »drei für Bebel, der erkrankt ist, drei für mich. Es ging ausgezeichnet, aber Du kannst Dir vorstellen, wie ich die
     ganze Zeit in der Mühle war, und verstehst, warum ich Dir die ganze Zeit über nicht geschrieben habe«, hieß es in einem Brief
     an Leo Jogiches. Immerhin waren darunter |227| drei Großveranstaltungen mit je 2- bis 3000 Menschen. »Ich weiß selbst nicht, wie ich das alles geschafft habe: Erst bin ich
     wie eine Leiche nach Jena gefahren, war dort eine Woche hindurch die ganze Zeit auf den Beinen, ohne eine einzige Sitzung
     für einen Moment zu verlassen, dreimal sprechen (und eine Wortmeldung persönlich), dann direkt nach Berlin, den Sonntag über
     ›ausgeruht‹, tatsächlich schrieb ich nur sieben unbedingt notwendige Briefe und wechselte die Kleidung, am Montag früh um
     8 Uhr nach Essen (9 Stunden Fahrt), abends zwei Versammlungen (von der einen zur anderen mit der Droschke, denn auf dem Bahnhof
     und in der ganzen Stadt waren die hier beigelegten Plakate ausgeklebt), das gleiche am Dienstag und Mittwoch, tagsüber mußte
     ich mich noch ein wenig vorbereiten, denn es mußten immer wieder neue Angriffe des Zentrums zurückgewiesen werden (am Mittwoch
     ging ich um 1 ½ Uhr schlafen), am Donnerstag früh um 7 Uhr aufstehen und wieder neun Stunden Fahrt nach Berlin. Trotzdem habe
     ich mich tapfer geschlagen und bin zehnmal frischer zurückgekehrt, als ich nach Jena gefahren bin (NB, diese Agitation hat
     mir bei den Alten [Auer, Bebel, Singer u. a.] usw. sehr genutzt).« 32
    Auch in den folgenden Wochen erhielt sie viele Einladungen; manche mußte sie absagen, weil sie die Anstrengungen solcher Touren
     neben ihren publizistischen Arbeiten für die deutsche und polnische Presse nicht ständig verkraften konnte. In ihr Kommen
     wurden stets große Erwartungen gesetzt. So hieß es in der Ankündigung einer Versammlung in Hamburg: »Die Person der Referentin,
     die nicht nur mit der Theorie des Massenstreiks gründlich vertraut ist, sondern auch die besten Informationen über dessen
     Wirkung im östlichen Nachbarstaat besitzt, bürgt wohl für eine der Wichtigkeit der Frage angemessene Behandlung.« 33 Rosa Luxemburg rechtfertigte das in sie gesetzte Vertrauen. Nachdem sie am 14. November 1905 in Hamburg vor mehr als 2 000
     Sozialdemokraten über den politischen Massenstreik gesprochen hatte, baten sie die von ihrer Argumentation beeindruckten Genossen
     um eine Schrift über den politischen Massenstreik, die sie 1906 verfaßte.
    Doch auch hier fanden sich einige Gewerkschaftsführer, die Rosa Luxemburg im »Hamburger Echo« verleumdeten und |228| angriffen. Bürgerliche Zeitungen trieben zur wahren Hetzjagd gegen die Agitatorin an. Justizbehörden beschäftigten sich mit
     der Frage, inwieweit die Reden August Bebels und Rosa Luxemburgs über den politischen Massenstreik auf dem Jenaer Parteitag
     Anlaß zu einer Strafverfolgung geben könnten, um sie für längere Zeit mundtot zu machen. Gegen den Abgeordneten Bebel bot
     das Strafgesetzbuch laut Schreiben des Reichsjustizamtes an den Reichskanzler vom 17. Oktober 1905 keine Handhabe. Gegen Rosa
     Luxemburg jedoch leitete die Weimarer Staatsanwaltschaft, die für ihren Parteitagsauftritt zuständige Strafverfolgungsbehörde,
     ein Verfahren ein. Sie beschuldigte Rosa Luxemburg »der Anreizung verschiedener Klassen der Bevölkerung zu Gewalttätigkeiten
     in einer den

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