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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Rosa Luxemburg den Arbeitern, sie sollten im Falle eines Sieges über die Zarenherrschaft
     das volle Programm zur Demokratisierung des Staates einfordern, müßten dann aber die Macht einer demokratisch gewählten Regierung
     übergeben. Aus zwei Gründen schloß sie aus, daß sich aus dieser Revolution die Abschaffung des kapitalistischen Systems in
     Rußland ergeben könnte: erstens würde es dem Proletariat nicht gelingen, sich auf demokratische Weise an der Macht zu halten;
     und zweitens habe die »politische Karriere der Bourgeoisie […] gerade erst begonnen« 97 .
    Der Mittelteil ihrer Schrift über den Massenstreik enthält |254| theoretische Verallgemeinerungen. Rosa Luxemburg schrieb, daß der Massenstreik »alle Phasen des politischen und ökonomischen
     Kampfes, alle Stadien und Momente der Revolution in sich spiegelt«. Er »ist der lebendige Pulsschlag der Revolution und zugleich
     ihr mächtigstes Triebrad. Mit einem Wort: Der Massenstreik, wie ihn uns die russische Revolution zeigt, ist nicht ein pfiffiges
     Mittel, ausgeklügelt zum Zwecke einer kräftigeren Wirkung des proletarischen Kampfes, sondern er ist
die Bewegungsweise der proletarischen Masse, die Erscheinungsform des proletarischen Kampfes in der Revolution
.« 98 Nicht der Massenstreik produziere die Revolution, sondern umgekehrt produziere die Revolution den Massenstreik.
    Ein Schema des Massenstreiks gäbe es nicht, schon gar nicht ließen sich ökonomische und politische Streiks säuberlich trennen.
     Zwischen beiden bestünden Wechselwirkungen, ihre Einheit sei eben der Massenstreik, der in der Revolution zur vollen Entfaltung
     komme. Massenstreiks könnten weder aus freien Stücken inszeniert noch kommandiert werden. Das gelinge höchstens bei kurzen
     Demonstrationsstreiks, wie z. B. in Hamburg am 17. Januar 1906.
    »Ein aus lauter Disziplin und Begeisterung geborener Massenstreik wird im besten Falle als eine Episode, als ein Symptom der
     Kampfstimmung der Arbeiterschaft eine Rolle spielen, worauf die Verhältnisse aber in den ruhigen Alltag zurückfallen.« 99 Gewiß käme die Initiative und Leitung dem organisierten und aufgeklärtesten sozialdemokratischen Kern des Proletariats zu,
     jedoch hänge der Spielraum für diese Kräfte von der objektiven Situation und den subjektiven Stimmungen der Massen ab. Rosa
     Luxemburg ging es darum, daß die Rolle und die Aufgaben dieser Massen in den kommenden Kämpfen verstanden wurden, denn die
     Sozialdemokratie sei – bei aller revolutionären Entwicklungsfähigkeit, bei aller Anpassungsfähigkeit an neue Anforderungen
     – in der Geschichte ein zwar wichtiger, aber bloß
ein
Faktor unter vielen. 100 Revolutionen ließen sich nun mal nicht schulmeistern.
    Massenstreiks, Massenkämpfe müßten zu wirklichen Volksbewegungen werden. Eine große Rolle spiele das Spontane; das Zusammenspiel
     von Spontaneität und Bewußtheit, von Organisiertem und Unorganisiertem sei entscheidend für den Erfolg |255| von Massenstreiks. 101 Der Sozialdemokratie als der aufgeklärtesten, klassenbewußtesten Vorhut falle die Aufgabe zu, die politische Leitung zu übernehmen,
     »die
Taktik
, die
Ziele
« zu stecken. 102 »Die Parole, die Richtung dem Kampfe zu geben, die
Taktik
des politischen Kampfes so einzurichten, daß in jeder Phase und in jedem Moment des Kampfes die ganze Summe der vorhandenen
     und bereits ausgelösten, betätigten Macht des Proletariats realisiert wird und in der Kampfstellung der Partei zum Ausdruck
     kommt, daß die Taktik der Sozialdemokratie nach ihrer Entschlossenheit und Schärfe nie
unter
dem Niveau des tatsächlichen Kräfteverhältnisses steht, sondern vielmehr diesem Verhältnis vorauseilt, das ist die wichtigste
     Aufgabe der ›Leitung‹ in der Periode des Massenstreiks.« 103 Ob die »Leitung« der Sozialdemokratie auf Massenaktionen förderlich oder lähmend wirke, hänge von der genauen Kenntnis der
     Massenstimmung und vom Realitätsgehalt der Forderungen ab, auch vom Zeitpunkt und von der Form der Einflußnahme. Wirkliche
     Stärke werde sich niemals zahlenmäßig berechnen lassen. Sämtliche Arbeiterinnen und Arbeiter erst organisieren zu wollen sei
     eine Illusion oder ein bewußtes Ablenkungsmanöver. 104
    Rolle und Reife der Organisation wie der spontan agierenden Massen dürften weder über- noch unterschätzt werden. Rosa Luxemburgs
     Auffassungen über das Zusammenspiel vieler Faktoren im Verhältnis zwischen Parteien, Organisationen und elementaren bzw.

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