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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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politischer Kontakt zum Parteivorstand, insbesondere zu August Bebel, intensivierte sich während ihrer Lehrtätigkeit.
     Im Lehrerkollegium traf sie mit Sozialdemokraten anderer Berufsgruppen und Interessenbereiche, so mit den Redakteuren Heinrich
     Cunow und Gustav Eckstein, den Reichstagsabgeordneten Arthur Stadthagen und Emanuel Wurm, den Rechtsanwälten Hugo Heinemann
     und Kurt Rosenfeld, mit dem Kommunalpolitiker Simon Katzenstein und mit dem Geschäftsführer Heinrich Schulz, weitaus häufiger
     als bisher zum Gedankenaustausch zusammen. Die Arbeit mit den Schülern aus sozialdemokratischen Landes- und Wahlkreisorganisationen
     und Gewerkschaftsverbänden vermittelte Rosa Luxemburg Erfahrungen auf regionaler und lokaler |299| Ebene sowie Kontakte zu neuen politischen Partnern. Mit vielen ihrer Schüler blieb sie auch nach den Kursen in Verbindung.
     Die Lehre ließ sie Fähigkeiten entdecken, über die sie bisher mehr Zweifel als Zutrauen gehegt hatte. Es waren keine verlorenen
     Jahre, wie Peter Nettl 209 oder andere Biographen suggerieren, wenn sie Rosa Luxemburgs Arbeit an der Parteischule nur knapp skizzieren. 210 Nicht zuletzt aus ihrer Lehrtätigkeit erhielt Rosa Luxemburg Anregungen für ihre großen wissenschaftlichen Arbeiten über
     die Nationalökonomie, die nationale Frage und den Imperialismus.

Fühle mich wie ein abgerissenes Blatt,
das vom Winde getrieben wird
    Nach wie vor gehörten zum persönlichen Freundeskreis von Rosa Luxemburg vor allem die Familien von Karl Kautsky und von Clara
     Zetkin. Bei Kautskys erstreckte sich die Freundschaft auf Karl und Luise Kautsky, auf Karls Mutter Minna (Granny), auf die
     Söhne Benedikt, Felix und Karl sowie den Bruder Hans, Hoftheatermaler und Professor in Wien. Nicht selten kam es vor, daß
     sich die Runde im Hause Kautsky um Eva und Franz Mehring, Julie und August Bebel, Paul Singer, Minna und Georg Ledebour, Mathilde
     und Emanuel Wurm oder um gelegentliche Besucher wie Otto Bauer, Gustav Eckstein, Rudolf Hilferding, Alexander Parvus, D. B.
     Rjasanow erweiterte. Oft fanden in Kautskys Wohnung richtige Familienabende statt, »mit Zeitungsschmökern bei Tisch, jüdischen
     Witzen von Bendel und Fresserei der beiden anderen«, an denen Rosa Luxemburg sich entspannen konnte, deren »bleierne Öde«
     sie andermal aber so erdrückten, daß sie »kein Wort hervorwürgen konnte«. 211 Wenn allerdings der lebenslustige Hans erschien, den auch Luise Kautsky so gern mochte, waren sie die munterste Gesellschaft
     voller Ausgelassenheit, aus der sich dann meist Karl Kautsky in sein Arbeitszimmer verzog.
    Auch bei Zetkins im Hause Sillenbuch, Wilhelmshöhe bei Stuttgart, gehörte Rosa Luxemburg zur Familie. Der Maler Friedrich
     Zundel, Clara Zetkins zweiter Mann, freute sich mit Clara ebenso über Rosa Luxemburgs Besuche wie die Söhne |300| Maxim und Kostja. Hier lernte sie Kostjas Freund Hugo Faisst kennen, einen hervorraganden Interpreten der Lieder von Hugo
     Wolf, für den er sie begeisterte. Hier begegnete sie auch dem Studenten Hans Diefenbach und sozialdemokratischen Redakteuren
     wie Friedrich Westmeyer von der »Schwäbischen Tagwacht« und August Thalheimer, der ab 1909 bei der »Göppinger Volkszeitung«
     arbeitete und zu dessen Schwester Berta sie ebenfalls Kontakt hatte. Vor allem aber suchte und reizte sie in Sillenbuch die
     Nähe Kostjas. »Ich kann ja nicht einmal vertragen«, schrieb sie ihm am 1. Juli 1908, »Dich mit irgend jemandem zu vergleichen,
     und das ist der geheime Schmerz, der mir das Bleiben bei Euch in Wilhelmshöhe unausstehlich macht, seit ich Dich liebe, daß
     ich dort Deine Familie, Deine Angehörigen sehe, während ich Dich nur als Einzigen, losgelöst von allen und allem in der Welt,
     liebe. Verstehst Du mich? Kleines Kindchen, Du mein süßer Bub, der ganz allein für sich in der Welt steht und den ich immer
     lieben werde.« 212
    Als sie im April 1908, nach Abschluß des Parteischulkursus, das erste Mal wieder frei über ihre Zeit verfügen konnte, wußte
     sie nicht recht, was sie zuerst tun sollte. Es galt Post zu erledigen, Artikel zu vollenden, Gespräche nachzuholen. Andererseits
     bedurfte sie dringend einer Erholungspause. Kautskys drängten auf eine Ferienreise und entwarfen für sie Pläne. Rosa Luxemburg
     sehnte sich vor allem nach Ruhe, die sie am besten mit Kostja, weit weg von allen, zu finden glaubte. Doch sie entdeckte keine
     Möglichkeit, mit ihm ungestört reisen zu können. Schließlich fuhr sie

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