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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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tragisches Knarren einer Mauleselstimme
     läßt sich von Zeit zu Zeit hören und eifriges Rufen der Maultiertreiber. Sonst stehen ein paar verschlafene Gestalten am Eingang
     von ein paar Läden in der ›Hauptstraße‹, und Kinder spielen im Sande, oder weißrote Katzen streifen über die Straße von einem
     Gartenzaun zum anderen. Den Mittelpunkt bildet eine viereckige Piazza Municipale, um die das mit Galerien ausgestattete Hauptgebäude
     geht. Darin ist alles, was Autorität, Rang und Staat darstellt: die Post, die Garnison (wohl sechs Soldaten mit zwei Offizieren),
     der Podestà, das Zollamt und natürlich daneben eine marmorne ›Gedenktafel‹ mit zwei etwas hervorstehenden Seitenleisten. An
     dieser ›Tafel‹ steht immer mit dem Rücken zum Platz irgendein Passant, während sonst nur die Sonne den leeren Platz überflutet,
     in dessen Mitte das Standbild Cavours ›den größten Statisten des XIX. Jahrhunderts‹ darstellt, wie die Aufschrift witzig erklärt.
     (Al più grande statisto.) Sonst sieht man nur an einem schmalen Bächlein unter drei großen Zedern die Lavandaien immer knien
     und waschen, während die Männer am liebsten miteinander schwatzen. Vor meinem Albergo z. B. stellen oder setzen sich auf eine
     hervorstehende Hauskante irgendwelche zwei, drei Bürger und schwatzen stundenlang mit Behagen, während ich innerlich koche,
     da mich dieses unermüdliche Plätschern der Stimmen draußen ganz aus den Gedanken bringt und ich die Arbeit hinschmeißen und
     am liebsten selbst in der Sonne hocken möchte. Abends bei Kühle geht alles, was lebt, in der ›Hauptstraße‹ auf und nieder
     spazieren, unzählige schwarze Kinder treiben sich spielend herum, und der ›Eismann‹ an seinem kleinen Karren macht glänzende
     Geschäfte. Ich kaufe ihm auch jeden Abend für 10 Centesimo Eis in einer kleinen Waffeltüte |317| ab, wenn es mir gelingt, durch die ihn umlagernden Kinder durchzudringen. Geistig ragen sichtlich über der Gesellschaft zwei
     Personen hervor: der Postbeamte, ein dicker, runder, schwarzblühender Jüngling, der in seinen weißen Schuhen und keck aufgesetztem
     Garibaldihut in außerdienstlichen Stunden das Haupt und Idol der hiesigen Jeunesse dorée ist; abends, umstanden von Freunden,
     spricht er Witze, die ich nicht verstehe, und verbreitet um sich Frohsinn und – wie ich fürchte – etwas Freigeist und Zynismus.
     Ganz anders ist der Apotheker, der zwar auch noch im besten Alter, aber blaß, finster, in seinem Laden immer ein paar ernstere
     Herren und auch den Herrn Abate hat, die in Hüten sitzen und Politik treiben. Das tun sie übrigens auch, wenn der Apotheker
     abwesend ist, indem sie sich auch ohne ihn gut unterhalten und in seinem Laden Zeitungen lesen. Schon zweimal habe ich bei
     ihm Zahnpulver gekauft, und jedesmal mußte er von einem der politisierenden Herren der klerikalen Partei geholt werden. Jeden
     Sonntag gibt es eine Prozession, an der Kinder, Weiber und schwarzgehüllte alte Männer teilnehmen; die Prozession schleppt
     sich aber faul dahin, das Singen reißt alle Augenblicke ab, und die Zuschauer lachen; ›Signor Gesù‹, den man auf langem Holz
     schleppt, macht ein verkniffenes Gesicht, weil ihn die strahlende Sonne blendet und in die Nase kitzelt. […] Sobald die Sonne
     sinkt, beginnen von allen Seiten die Froschkonzerte, wie ich sie in keinem Lande sonst gehört habe. Schon in Genua habe ich
     diese Überraschung, die ich an der Riviera am wenigsten suchte, erlebt. Frösche – meinetwegen. Aber solche Frösche, so ein
     breites, schnarrendes, selbstzufriedenes, aufgeblasenes Gequake, wie wenn der Frosch die erste und absolut wichtigste Person
     wäre! … Zweitens: die Glocken. Ich schätze und liebe die Kirchenglocken. Aber jede Viertelstunde Bimmeln, und zwar ein leichtsinniges,
     albernes, kindisches Bimbimbim-bimbambam, das kann einen ganz närrisch machen. […] Und drittens – – drittens, Karl, wenn Du
     nach Italien gehst, vergiß nicht, eine Schachtel Insektenpulver mitzunehmen. Sonst ist es herrlich.« 242 Es sei allerdings viel kühler, als man sich gewöhnlich vorstellt.
    Peter Nettl wertet diese und ähnliche Beschreibungen als seltsam unkritisch, altmodisch und bestenfalls belustigend. 243 |318| Rosa Luxemburg berichtete ihren Freunden auch weiterhin über den Fortgang ihrer Arbeiten, bat um Büchersendungen und Literaturauszüge
     und beschäftigte sich mit Berichten und Rezensionen. Ende Mai sandte sie weitere sechzehn

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