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Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Titel: Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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über mich herfiel.

20. Kapitel
    Momma glitt zum großen Finale an der Stange hinunter, warf die glitzernde Schärpe ab, drückte die Schultern durch und verbeugte sich.
    Ich sah beiseite und krümmte mich zusammen. Es fühlte sich an, als hätte mir jemand ein Kantholz in den Bauch gestoßen. Cecilia bedeutete mir, Janie neben mir festzuhalten, weil sich ihre Lider schlossen, die Augäpfel zurückrollten, ihre Knie nachgaben. Sie würde jeden Moment ohnmächtig werden.
    Wir fingen Janie auf und lehnten sie an eine nikotingelbe Wand im Flur. Sie gab schwache, keuchende Geräusche von sich, als stehe sie unter Schock.
    Sobald Janie versorgt war, lehnte auch ich meinen Kopf gegen die raue Wand in dem rauchigen Flur.
    Ich wollte diese Männer umbringen.
    Ich wollte sterben.
    Und für einen kurzen Moment, muss ich gestehen, hasste ich meine Mutter. Ich hatte sie schon oft gehasst, vor allem für das Strippen, aber sie dabei zu beobachten, war noch etwas ganz anderes.
    Doch neben dem Hass und der brennenden Wut spürte ich noch ein anderes Gefühl, das sie mir sehr übelnehmen würde, wenn sie davon wüsste: Mitleid. Ich hatte Mitleid mit meiner Momma, weil ihr Leben zu einem düsteren, schmutzigen Albtraum geworden war.
    Und in einem Winkel meines selbstsüchtigen Teenagerhirns wusste ich auch: Sie tat es für uns.
    Als Janie benommen wieder allein stehen konnte, Cecilia aufgehört hatte, zu fluchen und gegen die Wand zu treten, und mir nicht mehr vor Entsetzen die Galle hochkam, krochen wir zurück in den nur schwach beleuchteten Flur und versteckten uns in einer winzigen Nische neben der Garderobe, nahe der Hintertür. Momma würde uns umbringen, wenn sie uns sah, aber zumindest würde sie nie erfahren, dass wir sie auf der verrauchten Bühne gesehen hatten.

    Momma packte mich am Ohr und schleifte mich aus dem Gentlemen’s Club. Ich stolperte hinter ihr her, voller Angst, dass sie mir das Ohr abreißen würde, während sie uns alle drei zusammenbrüllte. »Ihr bekommt eine Abreibung von mir!«, kreischte sie. »Ihr habt schon einige dumme Sachen gemacht, aber das hier ist der Gipfel! Ich bin so wütend auf euch, dass ich kotzen könnte! Ja, ich muss gleich kotzen! Verdammt! Das war deine Idee, stimmt’s, Isabelle?«
    Sie schloss die Tür unseres alten, verbeulten Autos auf und schubste mich hinein, bevor ich ein Wort rausbekam. Im Flur des Striptease-Clubs hatte sie nur einen entsetzten Blick auf uns geworfen, losgebrüllt und Sweatshirt und Jeans übergestreift, doch mir war das bittere Entsetzen, die brennende Scham in ihrem Gesicht nicht entgangen.
    Beim Einsteigen schlug ich mir den Kopf an, aber ich krabbelte so schnell ich konnte über den Sitz. Cecilia und Janie warfen sich auf den Rücksitz. Janie hatte vor Schreck Schluckauf, und Cecilia fluchte leise vor sich hin.
    Mit zitternder Hand versuchte Momma, den Schlüssel unserer alten Rostlaube zu drehen. Der Motor sprang weder beim ersten noch beim zweiten Versuch an.
    »Mist, Mist, Mist!« Sie wischte sich mit beiden Händen die Tränen aus den Augen. »Mist!«
    »Momma … Momma.« Ich wedelte mit den Händen. »Momma!«
    »Sei still! Ich bringe euch nach Hause, und wir reden später darüber! Ich muss in zwanzig Minuten zurück sein, sonst verliere ich meinen Job!«
    »Momma! Momma!«
    Ich schrie so laut, dass sie kurz innehielt. Ich atmete tief durch. Was ich zu sagen hatte, würde Momma den Boden unter den Füßen wegreißen, das wusste ich. »Henry ist weg.«
    »Wa…as?« Selbst in dem schwachen Licht und dem Regen, der auf die Windschutzscheibe prasselte, konnte ich ihr Gesicht erkennen. Es fiel in sich zusammen, ihr Mund stand offen. »Was soll das heißen, Henry ist weg? Er ist nicht weg! Er ist im Heim.«
    »Doch, Momma, er ist weg«, sagte Cecilia. »Sie haben die Polizei gerufen. Er ist weggelaufen.«

    Ich schwöre, dass wir auf dem Weg zu Thelma mehrmals auf zwei Reifen um die Kurve schlitterten. Momma brüllte und fluchte. Sie war noch immer in ihrer Depression gefangen, aber der Instinkt, ihr Kind zu retten, setzte sich darüber hinweg.
    Thelma, das Mannsweib, öffnete uns schniefend die Tür. Ihre Nase lief, ihr blauer Morgenrock war schmutzig. Der bleiche Trent stand wie ein Panzer hinter ihr. Er roch muffig. Außerdem waren sechs Polizisten da, auf ihren Wagen rotierten die blauen und roten Lichter.
    »Was zum Teufel ist hier passiert, Thelma?«, ging Momma auf sie los, ohne auf die Polizisten zu achten. »Isabelle sagt, Sie hätten

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