Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
Kehle. »Da war kein Geld. Überhaupt keins.«
»Doch.« Dad beugte sich vor. »Doch, da war welches. Das Geld von der Regierung für meinen jahrelangen Militärdienst. Ich hatte verfügt, dass der monatliche Scheck an eure Mutter geschickt wird, wie schon die ganze Zeit, während ich in der Armee war. Außerdem hatte ich ihr das Erbe von meinen Eltern überlassen, die gestorben waren, während ich in Vietnam war. Was ist mit dem Geld passiert? Es hätte ausgereicht, um das Haus abzubezahlen. Es hätte für ein Sparguthaben gereicht. Es hätte für das College von euch allen gereicht. River hätte keinen Tag in ihrem Leben arbeiten müssen. Keinen einzigen Tag.«
Ich war sprachlos. Es fühlte sich an, als hätte jemand das Piratenschiff abgeschleppt, das auf unserer Bäckerei gelandet war, und mir den Kopf eingeschlagen. Janie gab quiekende Geräusche von sich. Sie drückte in schnellem Rhythmus meine Hand.
»Ich hab keine Ahnung, wovon du sprichst«, sagte ich zu unserem Vater. »Nicht die geringste.«
»Da war kein Geld«, quiekte Janie. »Außer dem, was wir für den Zitronenbaiserkuchen bekamen, den wir nach deinem Rezept backten, die Schokoladenkekse mit Pfefferminz waren beliebt, ich glaube, auch der Kirschkuchen ging gut …« Ihre Stimme verklang. Sie machte sich wieder ans Serviettenzerreißen.
»O mein Gott«, stöhnte unser Dad und legte das Gesicht in beide Hände. »O mein Gott.«
22. Kapitel
Ich rief Cecilia an und bat sie, zum Essen in Grandmas Haus zu kommen. Ich dachte, dort sei es besser, sich zu treffen, dann könnte Cecilia wegrennen, falls sie wollte, falls sie einen Wahnsinnswutanfall bekäme. Ich war mir nicht sicher, wie sie reagieren würde.
Nein, ich war mir nur über das Ausmaß von Cecilias Reaktion im Unklaren und ob sie Wertgegenstände aus dem Fenster werfen würde, während sie unseren Dad zur Schnecke machte.
Wir beschlossen, dass Dad – wie seltsam es war, dieses Wort auszusprechen – meinem Motorrad in seinem blauen Geländewagen folgen sollte, und Janie würde ihm wiederum in ihrem Porsche folgen. Ich glaube, wir brauchten alle einen Augenblick für uns, um uns alles durch den Kopf gehen zu lassen.
Das war alles ein bisschen viel. Ein plötzlich auftauchender Dad – der Schock, die Tränen, die anfängliche Zuneigungswelle, dann die Wut. Die brodelnde Wut.
Eine Wut, die aufgeflammt und zusammengefallen, erneut aufgeflammt und zusammengefallen war. Ich spürte, wie sie sich auch jetzt wieder regte.
Wie konnte er es wagen? Wie konnte er? Wieder in unser Leben zu spazieren, nachdem er unsere Kindheit zerstört hatte? Nachdem er uns mit Momma alleingelassen hatte? Nach allem, was wir durchgemacht hatten und was sich durch seine Anwesenheit hätte verhindern oder zumindest abmildern lassen?
Wir hatten drei Jahre lang Weihnachtsgeschenke für ihn gebastelt. An den Geburtstagen trauten wir uns nicht, unsere Wohnung zu verlassen, weil wir hofften, er würde anrufen. Unseren Dad zu verlieren, hatte uns zerbrochen. Es wäre leichter gewesen, wenn wir ein Bein oder das halbe Gehirn verloren hätten.
Und nun war er wieder hier.
Ich fuhr aus der Stadt hinaus, atmete tief ein und aus, folgte eine Weile dem rauschenden Columbia River, fuhr schließlich den Hügel hinauf.
Allerdings konnte ich ein anderes Gefühl ebenfalls nicht verleugnen: Ein Teil von mir war so froh, meinen Dad wiederzusehen, dass ich hätte heulen können.
Also tat ich es.
Ich heulte.
Auf der Veranda hielt mein Dad meinem Blick stand, und seine großen braunen Augen füllten sich mit Tränen. Ich hatte das deutliche Gefühl, dass er mich gerne umarmt hätte.
Ich wandte mich ab.
Er hielt Janie und mir die Fliegengittertür auf.
»Danke, danke«, sagte Janie aufgeregt. »Das ist Grandmas Haus. Es hat einen Wintergarten. Eine Pergola. Es ist ein Haus. Es gehört Grandma. Sie versteckt ihre Geheimnisse im Turm«, brabbelte Janie. »Wir setzen uns in den Wintergarten.«
Dad nickte nur, Tränen in den Augen.
Janie grinste breit, als sie eintrat. »Du hast nicht gelächelt«, flüsterte sie mir zu. Ich beachtete sie nicht.
»Ich mache Kaffee«, verkündete ich und verschwand in der Küche. Die Sonne schien schräg auf Mommas Flaschensammlung, warf farbige Prismen auf die Arbeitsplatte. Ich seufzte.
Ich hörte Grandma die Treppe herunterkommen. Sie sang aus voller Kehle ein patriotisches Lied.
Als sie mich sah, blieb sie abrupt stehen. Irgendwo hatte sie einen Gehstock gefunden und klopfte damit auf
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