Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
wütende Cecilia. Wir waren ein Haufen zappelnder Bommarito-Schwestern.
»O mein Gott«, rief Cecilia anklagend und schüttelte angewidert den Kopf. »Du hast uns im Stich gelassen, uns ging sofort das Geld aus …«
»Ähm, Cecilia«, sagte ich.
Dads linkes Auge begann zu zucken.
»Momma musste schon im ersten Monat ihren Ehering verkaufen. Sie hat deswegen geweint. Sie hat geweint. Sie hat ihn in der Hand gehalten und geküsst, bevor sie zum Pfandleiher ging.«
Dads bleiches Gesicht wurde aschfahl. Er wankte.
»Äh, Cecilia, können wir mal kurz miteinander reden?«, sagte ich.
»Wir sind von einer miesen, ekligen Wohnung in die nächste gezogen, mit miesen, ekligen Nachbarn.«
Dad ließ den Kopf sinken, die Hand im Nacken.
»Lass nicht los«, flüsterte ich Janie über Cecilias Kopf zu.
»Warum bist du hier? Warum zum Teufel bist du zurückgekommen? Willst du Daddy spielen? Dazu ist es zu spät. Viel zu spät. Wir brauchen keinen Dad. Wir sind ohne dich klargekommen, jetzt brauchen wir dich auch nicht mehr.«
Ich hielt sie fest und stieß hervor: »Da ist etwas, das du wissen solltest, Cecilia …«
Janie wimmerte.
»Du hast Momma fertiggemacht, du hast uns allen das Leben versaut …«
Cecilia setzte ihre wütende Tirade fort, bis sie von Henrys lieber, unschuldiger Stimme unterbrochen wurde.
»Hallo, ihr Schwestern! Hallo!«
Unsere Köpfe fuhren herum, aber ich ließ die zappelnde Cecilia nicht los.
»Ich hab Hunde gestreichelt«, verkündete Henry. Er trug ein braunes T-Shirt mit einem flauschigen weißen Hund darauf. Darunter stand: »Wau-wau!« Wenn er im Tierheim arbeitet, trägt er am liebsten T-Shirts mit Hunden oder Katzen.
»Ich hab Al gestreichelt! Sein Name ist Al.« Henry grinste. »Er ist groß und schwarz. Nicht beißen, Al! Und ich hab Sherman gestreichelt. Ein Hund, der Sherman heißt!« Er kicherte. »Ein kleiner weißer Hund. Er sitzt auf meinem Schoß. Er ist müde. Und ich hab Emily gestreichelt.«
Was sollten wir machen?
Wie sollten wir es Henry erzählen? Sollten wir es ihm überhaupt verraten? Musste er es erfahren? Wie lange würde Dad bleiben? Wäre es nicht viel schlimmer für Henry, seinen Vater zu sehen und ihn dann wieder zu verlieren, wenn Dad aufs Neue verschwand?
Wie würde Dad mit Henry umgehen? Ich konnte mich erinnern, wie er mit Henry auf den Schultern getanzt hatte, aber würde er sich mit ihm nicht befangen fühlen? Das ging vielen Leuten so.
Doch die Entscheidung, ob wir es Henry sagen sollten oder nicht, wurde uns glatt aus der Hand genommen.
Henry legte den Kopf nach links, dann nach rechts, sah Dad. Er lächelte verwundert.
»Ich glaub, das ist mein Dad«, sagte er und beugte sich aus der Hüfte vor. Er krümmte die Hände und hielt sie wie ein Fernglas vor die Augen. »Jawoll. Ich glaub, das ist mein Dad. Ich hab ein Foto von Dad in meiner Bibel. Du bist mein Dad, stimmt’s? Du bist mein Dad. Hallo, mein Dad.«
Wir drei Schwestern standen da wie Salzsäulen, völlig verblüfft. Wir hatten alle gesehen, wie Henry das Foto von Dad angestarrt hatte. Er hatte uns immer versichert, dass Dad zurückkommen würde.
»Hallo, mein Dad!« Henry lächelte. »He! Hallo, mein Dad.«
Das war zu viel für Dad. Endlich war eines seiner Kinder freundlich zu ihm.
Henry streckte die Arme aus. »Ich will meinen Dad drücken. Ich bin froh, dass mein Dad da ist.«
»Ich bin auch froh, dich zu sehen, Henry«, sagte Dad. Seine Schultern sackten herab, sein Gesicht rötete sich. »Ich bin so froh, dich zu sehen.« Er nahm seinen Sohn in die Arme. Lange hielten sie sich umschlungen. Dad liefen die Tränen über die Wangen, direkt an der Narbe entlang.
Janie machte ein glucksendes Geräusch. »Oh. Ist das nicht süß?«
Cecilia knurrte: »Scheiße. Verdammte Scheiße.«
Als sie sich wieder losließen, sagte Henry: »Jetzt hab ich meinen Dad. Ich wollte meinen Dad zurück. He, Cecilia und Isabelle und Janie. Dad ist zurück.« Er grinste. »Dad ist zurück.«
Henry überredete uns, Minuten später auf der Veranda zu sitzen, Cupcakes zu essen und Traubensaft zu trinken.
»Wir essen Kuchen!«, verkündete Henry. Er packte Dad und legte ihm den Arm um die Schulter. »Du sitzt bei mir. Du bist mein Dad. Zwei Männer. Wir sitzen zusammen.«
»Ich glaube, Daaaad« – Cecilia zog das Wort in die Länge – »muss gehen, Henry. Er hat zu tun.«
Dad stand da, würdevoll, ruhig. Ich bin nicht gefühllos, und ich wusste, dass es ihm wehtat. Unendlich
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