Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
ein. Heute roch sie nach Rosen. Draußen sah ich ihren Einkaufswagen mit den schwarzen Säcken stehen. Ein kleiner Kopf tauchte auf, ich schaute zweimal hin.
Belinda hatte eine schwarze Katze, die eine rosa Schleife trug.
Janie und ich wechselten einen Blick.
Was sollten wir nur mit Belinda machen?
Eines Tages war auch ich einmal auf einer Parkbank aufgewacht. Das war nicht so ungewöhnlich, aber ich hatte keine Ahnung, in welchem Park ich mich befand, ganz davon zu schweigen, in welchem Bundesstaat. Ich wusste nur, dass ich in Amerika war, weil ich die Fahne sah.
Unsere Großmutter glaubt, sie sei Amelia Earhart, unser Bruder teilt jedem mit, dass Jesus ihn liebt, und unsere stets elegant gekleidete Mutter kann jeden, der ihr in die Quere kommt, wie ein erfahrener Schwertkämpfer niederstrecken und hat es auch oft genug getan. Momma und Grandma lieferten sich mal in der Kirche ein Schreiduell, weil Momma sich weigerte, während des Vaterunsers Grandmas Hand zu halten. Der Segen musste über ihr Gekeife hinweg erteilt werden.
Wenn Cecilia nicht in der Vorschule unterrichtet, flucht sie wie ein Fischweib. Sie wiegt hundertvierzig Kilo, und Janie muss mehrmals am Tag in die Kühlkammer, um ihren Kopf zu kühlen und ihre zwanghafte Zählerei einzudämmen. Ich habe ein Männerproblem und gegen so überwältigende Depressionen gekämpft, dass ich das Gefühl hatte, meine Zehen würden über dem Feuer der Hölle schmoren. Unser Dad hat sich vom Acker gemacht, weil sein Verstand ständig Zeitreisen zurück nach Vietnam unternahm.
Na also. Wer sind Janie und ich, über Belinda den Stab zu brechen, nur weil sie sich seltsam verhält?
Wir ließen Belinda schlafen.
Am Mittwoch brachten Janie und ich Henry zur Kirche, zu seiner Freiwilligenarbeit mit der Highschoolgruppe.
Ich betrachtete die geschnitzten Kirchentüren, das Kreuz auf dem Dach und die Marienstatue.
Hier hatte ich während der Highschool viele Stunden verbracht. Momma hatte darauf bestanden. Ich musste sonntags zur Kirche gehen, egal wie verkatert ich vom Abend davor war oder was sich kurze sechs Stunden zuvor auf dem Rücksitz des Autos irgendeines Typen abgespielt hatte.
Ich hatte an der Mittwochgruppe teilgenommen und bei Pater Mike zahllose schändliche Sünden gebeichtet, nur um am nächsten Tag wieder loszuziehen und dieselben erneut zu begehen.
Ich hatte im Untergeschoss der Kirche mit drei Jungen geschlafen und mit zweien vor dem Altar. Wir hatten Hostien geklaut, um sie mit dem gestohlenen Messwein zu verspeisen. Ich hatte zu Cecilia und Janie gesagt, wir könnten eine Tonne von Christi Leib essen und Gallonen von seinem Blut trinken. Das fanden wir zum Piepen komisch.
Ich wollte Pater Mike gerne sehen, aber ich konnte nicht. Ich konnte nicht in diese Kirche gehen. Ich hatte zu viel angestellt, konnte mir nicht vergeben oder vergessen, was ich getan hatte. Vermutlich gab es kein Gebot, gegen das ich nicht verstoßen hatte. Außer meines Nächsten Weib zu begehren. Ich hatte nie ein Weib begehrt.
Henry gab mir einen Kuss auf die Wange und schenkte mir ein Lächeln.
»Wiedersehen, Henry. Viel Spaß.«
»Okey-dokey, Isabelle. Du auch viel Spaß. Gehst du jetzt heim und machst Spaghetti?« Wenn Henry mittwochabends nach Hause kam, gab es Spaghetti.
»Ja, ich mache Spaghetti.«
»Und Fleischbällchen?« Er grinste mich an.
»Fleischbällchen auch. Versprochen.«
»Fadenkäse?«
Er meinte Mozzarella. »Ja, auch Fadenkäse.«
Henry grinste erneut und klatschte in die Hände. »Ich hab euch lieb, Janie und Isabelle, meine Schwestern. Ja, ja, das hab ich. Meine Schwestern.«
»Ich hab dich auch lieb, Henry.«
»Hab dich lieb, Henry.« Janie warf ihm einen Luftkuss zu.
Und ich liebte Henry wirklich. Ich sah ihm nach, wie er die Kirchenstufen hinauftappte, mit braunen Locken seidig und weich. Eine Gruppe Teenager bog um die Ecke, bevor Henry oben ankam. Instinktiv erstarrte ich. Janie sog den Atem ein.
Meine Hand umklammerte den Türgriff des Autos, Janies ebenfalls, bereit, sofort rauszuspringen und Henry beizustehen, wie wir es als Kinder getan hatten, um ihn vor den Schlägen gemeiner Bösewichte zu beschützen.
Einmal, als wir in einem abgelegenen, moskitoverseuchten Kaff in South Carolina wohnten, wurde Henry, der in der vierten Klasse war, von drei Gören den ganzen Weg nach Hause über ein Feld gejagt. Sie schlugen mit ihren Rucksäcken nach ihm, beschimpften ihn, schubsten ihn in den Matsch und machten sich über ihn lustig.
Nun
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