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Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Titel: Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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geweint, und sie hatten sich geküsst, lange und mit solcher Leidenschaft, dass ich den Blick abwenden musste und die Lampe betrachtete, bis Dad leise die Tür schloss und Momma bebend auf dem weißen Linoleumboden der Küche zusammenbrach.
    Das Traurige daran war, dass wir, auch wenn wir einen Vater mit teuflischen Flashbacks hatten, der auf nicht existierende Vietnamesen fluchte, gegen seine Albträume ankämpfte, Momma um zwei Uhr morgens in Sicherheit brachte, der Wutanfälle und Zornausbrüche hatte und offenbar alles in seiner Macht Stehende tat, um nicht den Verstand zu verlieren, und Momma um ein Haar das Hirn weggepustet hätte, dass wir diesen Vater ganz schrecklich vermissten.
    Obwohl uns keine Vietcong durch schlammige Flüsse oder Tunnel jagten, keine Hubschrauber halbzerrissene Kameraden aufsammelten, keine ohrenbetäubenden Bomben niedersausten und keine Dörfer durch Agent Orange verbrannten, hatte unser eigener Albtraum gerade erst begonnen.

    Die Bäckerei war ein eindeutiger Flop.
    Wie Janie gesagt hatte, schmeckten Mamas Gebäckstücke wie Innereien, ihre Kuchen wie Sägemehl und ihr Brot wie Stein. Momma hatte nie so zu backen gelernt wie Dad.
    Ich musste Werbung machen, damit die Einwohner erfuhren, dass wir, zumindest vorübergehend, unter neuer Leitung waren. Ich musste die Leute herholen und sie von unserem Angebot überzeugen. Dazu brauchte ich Hilfe.
    Die Glocke über der Tür bimmelte. »Hallo!«, rief Henry. »Henry ist da und sagt ›Hi, Isi!‹«
    Ich musterte ihn. Er trug eine rot-blaue Strickmütze und ein grünes T-Shirt mit einer goldenen Katze darauf. Darunter stand »Süßes Kätzchen«.
    Jawoll. Henry war genau die Hilfe, die ich brauchte.

    Ich band Henry eine gestreifte Schürze um, schnitt einen Schokoladenkuchen in kleine Stücke und drapierte sie auf Papierdeckchen.
    »Du wirst der Werbechef von Bommaritos Bäckerei!«, sagte ich zu ihm.
    »Ha!« Er lachte. »Ha! Der Chef! Großer Chef!«
    »Genau. Du übernimmst die Außenwerbung.«
    »Okay-dokay! Das mach ich!« Henry grinste, rückte seine Mütze zurecht. »Was mach ich, Isi?«
    »Du schenkst den Leuten kleine Kuchenstücke auf Papierdeckchen, Henry.«
    »Das mach ich! Ich schenke Kuchen!«
    »Umsonst. Kostenlos.«
    »Ha! Kuchen umsonst für alle Leute, und ich sag: Jesus liebt dich – das mach ich!«
    Wir stellten draußen einen Tisch mit einer rot-weiß geblümten Decke auf und setzten Henry daran.
    Ich beobachtete ihn kurz, mein Beschützerinstinkt arbeitete auf Hochtouren.
    Was gar nicht nötig war.
    Unser Bruder kannte fast alle, die vorbeikamen; er begrüßte sie mit vollem Namen oder sagte: »Hallo, Mann hinterm Ladentisch der Apotheke mit der komischen Brille!« oder: »Das ist die Frau vom Friseursalon mit schwarz lackierten Fingernägeln!« oder: »Du fährst den blauen Laster. Der brummt wie ein Bär! Brrr!« Er freute sich, jeden zu sehen, und die Leute blieben stehen, plauderten mit ihm und nahmen ihn in den Arm.
    »Jesus liebt dich!«, teilte Henry ihnen mit. Wenn keiner vorbeikam, sang er vor sich hin.
    Am Ende hatten wir unseren gesamten Kuchen verkauft, einschließlich eines Schokoladen-Käsekuchens mit zerkrümelter Kekskruste, eines Apfel-Kaffeekuchens mit Zimt und eines Karottenkuchens mit dicker Frischkäseschicht und einem rosa Hasen, der eine riesige Karotte in der Pfote hielt.
    Um fünf Uhr machten wir zu und räumten auf.
    »Tja, kein schlechter Tag für die Bäckerei«, sagte ich zu Janie. Ich war so erschöpft, dass ich kaum noch sprechen konnte.
    »Das kann man wohl sagen. Fühl mal, Isabelle.« Sie fuhr mit der Hand durch einen Sack Haferflocken. »Ich glaube, so würden sich auch zermahlene Menschenknochen anfühlen. Was meinst du?«

    In den nächsten Tagen arbeiteten wir bis zum Umfallen in der Bäckerei. Ich kreierte einen Kuchen in Form einer schielenden Schlange, ein rosa Zebra und eine Giraffe mit nicht ganz so langem Hals. Wenn es den Kindern gefällt, kaufen es die Eltern. Das ist mein Motto.
    Janie backte eine Hochzeitstorte, die sie mit hellrosa Guss und einem Blumenkranz aus Marzipan verzierte, der sich kaskadenartig nach unten rankte. Die Torte war der Hammer. Ich sah, wie die Leute vor dem Schaufenster stehen blieben und sie bewunderten.
    Die Perfektion der Torte erinnerte mich an meinen Dad und die hinreißenden Köstlichkeiten, die er mit uns gebacken hatte. Ich wandte mich ab.
    Belinda kam herein, wie immer um dieselbe Zeit, legte sich auf eine Bank in der Nische und schlief

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