Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
Großtante Tildy nach Helens Tod drei Riesenmüllcontainer bestellen musste, um alles loszuwerden.« Janie schob sich Strähnen zurück in den unordentlichen Knoten. »Sie hatte Zeitungen aus vier Jahrzehnten aufgehoben! Und Tante Tildy unterhielt sich mit Stimmen. Freundlichen Stimmen. Sie waren sehr freundlich.«
Kayla breitete die Hände wie ein Yogi aus. »Ich fürchte mich nicht vor unseren Vorfahren. Ihr Leben ist mein Erbe, die Erinnerungen, die in den tiefsten Windungen meines Gehirns verborgen sind. Ich benutze diese Erinnerungen, um eine spirituelle Basis zu errichten, von der aus ich weiterforschen kann. Die Kette hilft mir, meine Gedanken himmelwärts auszurichten.«
»Ich glaube, sie hilft ihr, seltsam und verschroben zu sein«, ergänzte ihre Schwester. »Sie ist ein Toga-Geist mit einem Mond zwischen den Augen. Was ist daran so spirituell? Also wirklich!« Sie riss ein Haar aus und ließ es zu Boden fallen.
Ich sah, wie Cecilia die Lippen zusammenpresste.
»Keine Bange, Riley«, sagte Kayla wieder mit überheblicher Stimme. »Ich gehe weit in der Zeit zurück und bitte um alle Kraft unserer Vorfahren, dich von deiner grauenhaften Angewohnheit zu befreien.«
»Du bist grauenhaft«, sagte Riley. »Absolut grauenhaft.«
»Ich werde dir mit meinem Weihrauch die Dämonen aus dem Körper treiben«, sagte Kayla und drohte mit den Fingern. »Ein böser Dämon sorgt dafür, dass du dir die Haare ausreißt.«
»Du bist ein Dämon, Kayla«, sagte Riley mit zusammengekniffenen Augen. »Eindeutig.«
»He, wenn du die Dämonen aus meinem Körper vertreiben könntest, nur zu«, sagte ich. »Ich bin dabei.«
Kayla seufzte auf eine Art, wie es nur genervte junge Mädchen können.
»Du wählst deinen Dämon selbst, Tante Isabelle. Du magst ihn. Darum bleibt er bei dir.«
Hoppla.
»Wie philosophisch!«, hauchte Janie.
»Mein Dämon ist jedenfalls hartnäckig!«, sagte ich. »Folgt mir überall hin und überredet mich, mich dämonisch auszutoben.«
Grandma furzte, breitete die Arme aus und flog um den Tisch. »Gas im Tank!«
Henry erzählte uns von dem braunen Hund mit den großen Zähnen aus dem Tierheim, der gefährlich war. »Er hat ein gelbes Halsband um. Das heißt, pass auf! Er beißt!«
»Du hast viele pelzige Freunde, Henry«, sagte Janie zu ihm.
Henry fand das zum Totlachen. »Ja, ja! Pelzige Freunde.« Er miaute, dann bellte er. »Wenn das Tierheim größer wär, hätten wir mehr Hundis. Wir brauchen mehr Platz, sagt Paula Jay. Mehr Platz für pelzige Freunde! Ich mag Pizza.«
Grandma sprang auf ihren Stuhl, legte die Hand schützend über die Augen. »Ich sehe ein Schiff! Wir sind gerettet!«, schrie sie.
Ich wedelte mit meiner Serviette. »Hurra!«
Alle anderen wedelten ebenfalls mit den Servietten. Das mussten wir tun, sonst hätte sich Grandma aufgeregt.
Es war beklagenswert, wie rasch ich in den Bommarito-Wahnsinn zurückfiel.
Die Sonne ging über den Bergen auf, in Gold und Rosa, Violett und Blau. Ich saß auf einem Felsen und blickte auf den Columbia River, der Wind schlug mir die braunen Zöpfe ums Gesicht.
Der Windsurfer glitt auf das Ufer zu. Ich überlegte, wie es wohl sei, in den frühen Morgenstunden zu surfen, bevor die Sonne richtig aufgegangen war, vor der Arbeit, bevor mich meine unzuverlässigen Emotionen in den Griff bekamen und mich erschütterten.
Er schaute zu mir herüber, lächelte und winkte.
Ich winkte zurück.
»Das Gelee schmeckt wie Einbalsamierungsflüssigkeit.«
»Wann hast du Einbalsamierungsflüssigkeit probiert?«, fragte ich Momma und entschied mich für den Stuhl, der am weitesten vom Krankenbett entfernt stand. Cecilia setzte sich neben das Bett und warf mir wegen meines Sitzplatzes böse Blicke zu. Janie versteckte sich hinter mir, so gut es ging.
»Sei nicht so patzig, junge Dame.« Momma betastete ihr glockenförmiges aschblondes Haar und zupfte ihren rosa Morgenmantel zurecht. »Das Essen ist furchtbar. Die Versorgung ist furchtbar. So viele Krankenschwestern und Ärzte wieseln wie die Ratten hier herum, so dass ich kaum denken kann. Seht ihr? Da kommt schon wieder einer.«
Sie schniefte, als Dr. Janns eintrat.
»Wie geht es uns denn heute, Mrs Bommarito?« Freundlich lächelte er sie an. »Scheuchen alle Schwestern herum, wie ich höre.«
»Sie grinsen wie die Katze aus Alice im Wunderland«, teilte sie ihm mit.
Dr. Janns grinste breit und zeigte ihr seine Zähne. »Sie können mich Grinsekatze nennen, Ma’am. Haben Sie Schmerzen?
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