Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
Übertreibung. Ich würde den Rosenkranz beten, bis ich achtzig wäre, und damit wären nur die letzten paar Jahre abgedeckt. Ich kann nicht …«
Lächelnd breitete Pater Mike die Arme aus. »Jesus liebt uns alle, Isabelle. Wir alle sind Sünder. Wer bin ich denn, über dich oder andere zu richten?«
Ich spürte ein klein wenig Wärme in meinem Herzen. So ging es mir immer, wenn ich in Pater Mikes Nähe war.
»Oh, er hat absolut recht«, bestätigte Janice. »Hier wird nicht gerichtet, Schätzchen, mir ist ganz gleich, was du getan hast, ich persönlich war drogenabhängig, bevor Gott kam und mich holte, ich hab sogar mit Drogen gedealt, um an Drogen zu kommen, das war schrecklich und ich habe schreckliche Dinge getan!« Mir sackte der Unterkiefer hinunter. Janice war eine Drogendealerin gewesen?
Pater Mike strahlte Janice an und erhob die Hände. »Gelobt sei Gott! Siehst du! Janice ist jetzt hier in der Kirche. Gott liebt sie so sehr, dass er sie aus ihrer Hölle geholt und hierhergebracht hat! Sie ist für unser Musikprogramm zuständig! Sie leitet unseren Seniorenchor, den Kinderchor, den Jugendchor. Sie organisiert auch den Sonntagschor, und das sind achtzig Teilnehmer! Ein Chor mit achtzig Sängern, alles nur dank Janice! Sie weiß, wie man die Herzen der Menschen mit Musik erreicht. Gott hat sie auf einen schwierigen Pfad geführt, damit sie ihre Erfahrungen nutzen konnte, um andere von der Sünde, von Drogen und Alkohol wegzuführen, gesegnet sei sein Name! Gesegnet sei sein Name! «
»Oh!«, quiekte Janice, zog ein Taschentuch aus der Rocktasche und wedelte damit herum. »Oh! Wenn ich diese Worte höre, Pater Mike, muss ich …« Sie schniefte. »Dann muss ich weinen!«
»Tränen der Freude!«, dröhnte Pater Mike. »Tränen der Freude! Unendliche Freude über Gottes große Werke! Wir gehen durch das Feuer der Hölle und kommen auf der anderen Seite mit einem Eimer voll Weihwasser heraus, um es über andere auszugießen, die gesündigt haben, um sie wieder wie neugeboren zu machen und um uns alle in unserer Liebe für unseren Vater zu vereinen!«
Janice schniefte in ihr Taschentuch und wedelte mit der Hand. »Gelobt sei Gott«, quiekte sie und putzte sich die Nase. »Gelobt sei Gott!«
»Janice öffnet mit ihrer Musik die Türen, damit die Worte Gottes, die ich am Sonntag spreche, in die Herzen der Menschen gelangen.«
»Gott rettet die Schlimmsten von uns, Isabelle«, sagte Janice und fächelte sich mit dem Taschentuch Luft zu. »Ich bin der lebende Beweis dafür. Nun rauf mit dir in den Himmel! Die Jugendlichen kommen!« Sie holte Luft. Ihre Tränen waren versiegt, der Blick zielgerichtet. Sie stellte sich hinter mich und – kein Witz! – schob mich auf reichlich unchristliche Weise voran, bis ich auf der Bühne stand.
Und so begann ich wieder, christlichen Rock zu singen. Am Anfang recht holprig, aber am Ende, da rockte ich so richtig.
Am Ende des Gottesdienstes jubelten die Kinder, und wir waren weder vom Blitz erschlagen noch unter Heuschreckenschwärmen begraben noch ertrunken, und es gab auch keine Berichte, dass sich das Rote Meer erneut geteilt hätte.
»Du singst gut, Isi«, sagte Henry zu mir, wiegte sich vor und zurück. »Jesus liebt dich!«
Ich verdrehte die Augen.
Pater Mike applaudierte.
Er ist ein gerissener Priester.
11. Kapitel
Momma hatte eine Infektion bekommen und musste noch länger im Krankenhaus bleiben.
Janie und ich backten wie von Sinnen; Cecilia unterrichtete, kam danach zum Helfen und fluchte herum. Kayla und Riley halfen ebenfalls. Kayla trug eine Toga (sie befasste sich mit der römischen Religion), und Riley hielt Vorträge über die neuesten wissenschaftlichen Entdeckungen.
Aber ohne Velvet hätte das alles nicht funktioniert. Sie behielt Grandma und Henry im Auge, während wir arbeiteten und die Giftnatter im Krankenhaus besuchten.
Als wir eines späten Abends Velvets selbstgemachte Limonade getrunken hatten, die so sauer war, dass es einem die Eingeweide zusammenzog, kamen wir auf das Thema Männer zu sprechen.
»Isabelle, Liebchen«, sagte Velvet mit ihrer Honigstimme, während sie im Korbstuhl auf der Veranda schaukelte, »ich war es so leid, einen Orgasmus vorzutäuschen, dass ich mich nicht überwinden konnte, ein viertes Mal zu heiraten. Ich krieg’s einfach nicht in den Kopf, wie fette, alte weiße Männer auf die Idee kommen, sie wären so gut im Bett, dass sie eine Frau zum Schreien bringen.«
Ihre Stimme war so sanft, so melodiös und
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