Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
stand in so krassem Widerspruch zu dem, was sie sagte, dass ich die saure Limonade durch die Nase ausprustete.
»Wie können sie sich so was einbilden? Bierbäuche sind nicht sexy. Schwitzende Männer machen niemanden an, Schätzchen, das weißt du auch. Der einzige Mann, bei dem meine Pumpe schneller schlug und der mich auf Touren brachte, war Robert Redford, aber der hat meine Briefe und Anrufe konsequent ignoriert.«
»Du hast sie alle getäuscht?«, fragte ich.
»Jahrelang, meine Hübsche. Die Wechseljahre haben mich hart getroffen. Wie ein Wüstensturm, der sich in meinen unteren Regionen einnistete. Davor war ich die reinste Teufelin.« Sie fächelte sich Luft zu.
»Als diese Hitzewallungen und der Nachtschweiß kamen, verging mir die Lust am Sex. Ich hab mein ganzes Verlangen ausgeschwitzt. Mir blieb nur noch das Vortäuschen. Keuchen, stöhnen, erschaudern, den Kopf wie verzückt in den Nacken werfen, mich an den Mann klammern, als fürchte ich zu platzen, eine derart intensive Lust.« Sie gluckste. »Liebchen, die hätten mir wirklich einen Preis für meine Anstrengungen verleihen sollen.«
»Allerdings. Ich verleihe dir den Preis für die meisten vorgetäuschten Orgasmen.« Ich legte den Kopf schräg. Wenn ich noch Fotografin wäre, hätte ich ein Foto von Velvet machen können. Ihr Gesicht war zerfurcht und rätselhaft … aber ich bin keine Fotografin mehr, daher tat ich es nicht. Ich verdrängte das schreckliche Verlustgefühl, das mich überkam.
»Den hab ich wirklich verdient, meine Süße. Aber jetzt hab ich ein riesiges Haus am schönsten Fluss des Westens, einen Cadillac und einen Treuhandfonds mit über zwei Millionen Dollar, dank Jonathon, Earl und Mack. Ich nenne ihn den JEM-Fonds. Verstehst du, Liebchen? Für jeden Ehemann ein Buchstabe.« Sie lachte.
»Du bist so clever, Velvet.«
»Die Frauen aus den Südstaaten sind alle clever, es bleibt uns nichts anderes übrig. Aber ich sag dir, was ich von meiner Mutter gelernt habe: Wenn du einem Mann ein paar Drinks gibst, bevor’s zur Sache geht, ölt das seinen Motor, und er ist schneller fertig, als du ein Stinktier am Schwanz gezogen hast. In null Komma nichts hast du es hinter dir.« Sie schnippte mit den Fingern. »In null Komma nichts.«
»Den Trick mit dem Stinktierschwanz werde ich mir merken, Velvet, vielen Dank.«
Ich trank noch einen Schluck Limonade, bemühte mich, ihn nicht durch die Nase auszuprusten, legte den Kopf in den Nacken und ließ mir vom Wind den Stress wegpusten, während ich über Velvets Rat nachdachte.
Eines ist gewiss: Man sollte nie unterschätzen, was man von älteren Frauen lernen kann, vor allem von denen mit weißen Haaren.
Diese Mädels wissen alles.
Bao brachte Schachfiguren mit und spielte einhändig gegen sich selbst. Ich stellte Kaffee und eine Scheibe von meinem frisch gebackenen Kürbisbrot vor ihn hin. Er lächelte zaghaft, seine Lippen hoben sich leicht, als fehlte ihnen seit Jahrzehnten die Übung in diesem Bereich.
Seine Narbe sah mich an.
Seine Einsamkeit sah mich an.
Sein Schmerz sah auf meinen Schmerz, dessen war ich mir sicher.
Und das war der Grund, warum ich Bao mochte und mich ihm verbunden fühlte. Das war unsere Gemeinsamkeit.
»Sie reißt sich die Haare aus.«
»Wie bitte?«
Cecilia und ich saßen in einer Nische in Bommaritos Bäckerei. Es war vier Uhr, und Cecilia hatte die Mädchen mitgebracht. Sie halfen Janie im hinteren Raum dabei, Plätzchen zu glasieren. »Sie reißt sich die Haare aus.« Cecilia biss von dem Pekankuchen ab, den ich gebacken hatte. »Der schmilzt ja auf der Zunge, Isabelle. Köstlich. Unglaublich.«
Ich nickte. Pekankuchen war meine Spezialität. Mein Dad hatte mir das Geheimnis verraten. »Wer reißt sich die Haare aus?«
»Riley.«
Ich sackte auf der Bank zusammen. »Riley reißt sich die Haare aus? Wovon redest du? «
»Ist dir das noch nicht aufgefallen? Sperrst du die Augen nicht auf oder was? Sie trägt ein Stirnband, um es zu überspielen, aber sie ist bald kahl am Scheitel, weil sie sich die Haare eins nach dem anderen ausreißt.«
Mir wurde schlecht. »Warum?«
»Weil sie das Depri- und Desaster-Gen der Bommaritos geerbt hat.« Cecilia kniff den Mund zu einem Strich zusammen, und ich wusste, dass sie mit den Tränen kämpfte. Sie ließ die Kuchengabel fallen und senkte die Stimme. »Diese Krankheit nennt man Trichotillomanie. Ich kam einfach nicht dahinter, was mit ihr los war. Ihr Haar wurde immer dünner, und dann sah ich diese
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